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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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ein paar hundert Schritte. Einer plötzlichen Eingebung folgend ging er noch einmal zurück, und bald erreichte er wieder die ihm nun wohlvertraute Weggabelung. Allerdings war die Kapelle nirgends zu sehen. An ihrer Stelle stand wieder der ausgetrocknete Steinbrunnen.
    Einen Augenblick lang blieb Murdo stehen, starrte in das leere Steinbecken und kämpfte gegen ein Gefühl der Übelkeit an, das sich langsam in ihm ausbreitete. Er konnte doch nicht schon wieder eine
    falsche Abzweigung genommen haben! Aber wo war die Kapelle?
    Dann fiel sein Blick auf etwas, was seiner Aufmerksamkeit bisher entgangen war: eine Steintafel an der Wand über dem Becken. Ein Kreuz war darauf zu erkennen und daneben ein Speer und ein Pokal. Murdo betrachtete das Bild eine Weile; dann strich er mit den Fingern über das Relief. Erneut glaubte er, die kühle, regennasse Luft zu riechen, wie sie im hohen Norden einen Sturm ankündigte.
    »Verzage nicht«, flüsterte er und wiederholte die Worte des weiß-gewandeten Mönchs, »du bist deinem Ziel näher, als du glaubst.« Dann übermannte ihn plötzlich die Seltsamkeit der Geschehnisse, und er rannte die Straße zum Markt zurück, drängte sich zwischen den Händlern hindurch, und er hörte erst wieder auf zu rennen, als er die Zitadelle erreichte.

    ls Murdo die Zitadelle erreichte, herrschte dort ein wildes DurchW einander. Auf den Straßen vor der Festung wimmelte es von Männern, Pferden und Karren. Soldaten - meist Franken, ihrem Aussehen nach zu urteilen, aber auch eine beachtliche Zahl Nordmänner
    - eilten mit Waffen, Rüstzeug und Vorratspacken hierhin und dorthin. Karren wurden beladen, und Pferde wurden gesattelt; jeder schien jeden anzuschreien. Es dauerte eine Weile, bis sich Murdo einen Weg in die Stallungen gebahnt hatte.
    »Da bist du ja!« rief Emlyn, als er Murdo in der Tür erblickte. »Ich habe dich schon überall gesucht.«
    »Ich war auf dem Markt«, erklärte Murdo. Auf das Chaos um ihn
    herum deutend fragte er: »Werden wir angegriffen?«
    »Magnus verlegt die Flotte nach Jaffa«, antwortete der Mönch rasch und setzte an, sich ebenfalls davonzumachen. »Wir bereiten uns allesamt darauf vor abzurücken.«
    »Ich dachte, wir müßten hierbleiben, um bei der Verteidigung der Stadt zu helfen«, bemerkte Murdo. »Du hast doch gesagt.«
    »Ja, ja«, unterbrach ihn Emlyn voller Ungeduld, »aber Fürst Bo-hemund ist nach Jerusalem gerufen worden.«
    »Warum?«
    »Die Belagerung hat begonnen. Die Befreiung der Heiligen Stadt steht unmittelbar bevor!« verkündete der Kirchenmann und hob die Hände zum Lobe Gottes. »Auf daß im Himmel und auf Erden Jubel herrsche!«
    Entgegen seiner sonstigen Art lief Murdo ein Schauder der Erregung über den Rücken. Nach so langer Zeit ... Jerusalem!
    »Wir brechen sofort auf«, erklärte der Mönch. »Über Land sind es zehn Tagesmärsche, doch mit dem Schiff dauert es nur fünf. Wenn wir uns beeilen, können wir die Flotte noch vor Sonnenuntergang erreichen und bereits heute abend Segel setzen. Ach, da ist ja Fi-onn!« Mit diesen Worten drehte Emlyn sich um und eilte zu seinem Mitbruder.
    In Erinnerung an die Gluthitze auf dem langen Marsch vom Hafen hierher versuchte Murdo, sich, so gut es ging, auf die Rückkehr vorzubereiten. Er füllte eine große Suppenschüssel mit Wasser, trank sie leer, füllte sie erneut und leerte sie abermals. Dann gesellte er sich zu den anderen und half bei den Vorbereitungen für die Abreise.
    Der Tumult an den Ställen löste sich rasch auf. Es dauerte nicht lange, und die Nordmänner marschierten lärmend die breite Kolonnadenstraße hinunter Richtung Tor.
    Mit Magnus an der Spitze überquerte der norwegische Kriegshaufe die Brücke und zog hinaus ins Flußtal. Zunächst folgten die Männer der Hauptstraße, bis sie schließlich den Pfad erreichten, der sie vom Hafen von Sankt Simeon hierhergeführt hatte, und kurz dar-auf kletterten sie über die trockenen, staubbedeckten Hügel und ließen die Stadt hinter sich.
    Als sie den Gipfel des ersten Hügels erreichten, blieb Murdo kurz stehen, um einen letzten Blick auf Antiochia zu werfen; er schaute über das Tal hinweg auf eine Stadt, deren mächtige Mauern weiß im Licht der Sommersonne schimmerten.
    »Ja, das ist wirklich ein atemberaubender Anblick«, seufzte Em-lyn, der neben ihn getreten war. »Ich wäre gerne noch ein paar Tage geblieben, um die Stadt besser kennenzulernen. Erinnere dich meiner Worte: Große Dinge gehen in dieser Stadt vor. Gott ist hier

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