Der Sohn des Kreuzfahrers
Platz an einem der Tische und setzte sich zwischen Digri und
Amor. Vor ihm standen ein Korb mit Brot und ein Kessel Suppe auf dem Tisch. Murdo griff nach einer leeren Schüssel, schöpfte eine Portion Suppe aus dem Kessel, nahm ein Stück Brot aus dem Korb und begann zu essen. Die Suppe war dünn und geschmacklos und das Brot trocken; dennoch war Murdo froh, nach dem langen Marsch etwas Warmes in den Bauch zu bekommen. Er aß zwei Schüsseln Suppe und drei Stück Brot, bevor er sich zum Schlafen in eine der Pferdeboxen zurückzog.
Er hatte gerade genug Stroh für ein Bett zusammengekratzt, als Emlyn mit einem Becher erschien und ihn Murdo in die Hand drückte. Der Wein war süß und angenehm kühl. Murdo trank einen kräftigen Schluck, dankte dem Priester und gab ihm den Becher wieder zurück, woraufhin Emlyn sich neben ihn setzte. »Ah, mo croidh«, seufzte er in seiner Muttersprache. »Ich glaube nicht, daß ich in diesem Land sehr alt werde. Die Heiligen seien meine Zeugen: Es ist so heiß!«
»Es würde dir nicht soviel ausmachen, wenn du nicht so fett wärst«, bemerkte Murdo rundheraus.
»Hast du gehört, worüber sie gesprochen haben?« fragte der Mönch und nippte an seinem Becher. »Sie sagen, hier sei ein Wunder geschehen.«
»Was für eine Art von Wunder?« Murdo trank einen weiteren Schluck.
»Es hatte wohl irgend etwas mit einem Erdbeben zu tun und der Entdeckung der heiligen Lanze«, antwortete der Priester. »Die Männer hier sagen, nur dadurch hätte man die Sarazenen besiegen können; doch da zu diesem Zeitpunkt noch keiner der Nordmänner hier gewesen ist, weiß niemand etwas Genaues.«
Diese Erklärung schien keine Antwort von Murdo zu erfordern, also schwieg er und trank. Soweit es ihn betraf, widerfuhren Wunder immer anderen, zu anderer Zeit und an anderem Ort.
»Auch scheint es«, fuhr der atemlose Mönch fort, »als sei der Patriarch von Antiochia wieder in sein Amt eingesetzt und die Kirche des heiligen Peter neu geweiht worden. Wir werden morgen dorthin gehen und die dortigen Priester zu dem Wunder befragen. Komm mit uns, Murdo. Sankt Peter ist eine sehr alte und ehrwürdige Kirche. Du solltest sie dir ansehen.«
Murdo zuckte mit den Schultern. »Ich habe auch früher schon alte Kirchen gesehen.« Er trank erneut.
»Antiochia, Murdo!« schrie der Mönch unvermittelt. »Dies ist die Stadt, wo die Anhänger unseres Herrn den Namen Christen annahmen. Stell dir das doch nur einmal vor! Hier haben der Apostel Paulus und der heilige Barnabas in den ersten Tagen unseres Glaubens gepredigt und gelehrt. Der heilige Petrus selbst ernannte den ersten Bischof der Stadt, und er war es auch, der befohlen hat, an eben jener Stelle eine Kirche zu errichten, wo der heilige Paulus den Griechen und Juden dieses Landes von unserem auferstandenen Herrn gepredigt hat. Diese Stadt ist ein sehr heiliger Ort.«
Murdo nickte, gab Emlyn den Becher zurück und lehnte sich mit dem Kopf gegen die kühle Wand. »Wie lange müssen wir hierbleiben?«
»Wer weiß das schon?« antwortete der Priester. »König Magnus hat eingewilligt, Fürst Bohemund bei der Verteidigung der Stadt zu helfen. Als Gegenleistung dafür hat er hunderttausend Mark in Silber erhalten und das hier«, mit einer weit ausholenden Geste deutete er auf den Raum, in dem sie sich befanden, »die ehemaligen Stallungen als Unterkunft für sein Gefolge. Die Gemächer des Königs befinden sich selbstverständlich in der Zitadelle und.«
»Warum braucht dieser Fürst Bohemund die Hilfe des Königs?« unterbrach ihn Murdo. Er sah keinen Grund, warum sie nicht sofort ihren Weg nach Jerusalem fortsetzen sollten.
Der Mönch erklärte, daß Fürst Bohemund aufgrund einiger unglücklicher Umstände während des Feldzugs in Anatolien und Syrien nun auf die Hilfe von Söldnern angewiesen sei, um die frisch eroberte Stadt zu halten. Viele seiner eigenen Ritter und Fußtruppen waren dem Hunger, der Pest oder den Pfeilen der Seldschuken zum Opfer gefallen, so daß seine einst große Armee beachtlich zusammengeschrumpft war.
»Man sagt, mehr als zwanzigtausend Mann seien dem Fürsten aus Tarent gefolgt, doch nur neunhundert davon seien noch am Leben«, erklärte Emlyn und fügte hinzu, daß viele dieser neunhundert sich noch immer nicht von dem Fieber erholt hätten, das die Stadt nach dem Sieg der Kreuzfahrer heimgesucht hatte. Da demzufolge in An-tiochia ein großer Mangel an Kämpfern herrschte, hatte der schlaue Fürst den verspäteten Nordmännern nicht
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