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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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nur eine große Summe Silber angeboten, sondern auch die beste Unterkunft und Verpflegung, die er hatte auftreiben können, um sich die vielgepriesene Kampfkraft der norwegischen Krieger zu sichern.
    »Ich dachte, wenn wir wieder alle zusammen wären, würden wir weiter nach Jerusalem ziehen, um uns dem Pilgerheer anzuschließen.«
    »Ich nehme an, das werden wir auch«, erwiderte Emlyn. »Aber alles zu seiner Zeit, Murdo. Für alles unter dem Himmel gibt es einen richtigen Zeitpunkt. Keine Angst: Früher oder später werden wir schon nach Jerusalem kommen. Doch jetzt sind wir erst einmal hier - genieße es!« Der Mönch hob den Becher und leerte ihn in einem Zug.
    Murdo runzelte die Stirn. Die ganze Welt, so schien es, befand sich auf dem Weg nach Jerusalem, nur er war hier in Antiochia gestrandet. Er konnte es einfach nicht fassen.
    »Der Becher ist ja schon wieder leer«, erklärte Emlyn, rappelte sich auf und wankte auf der Suche nach Wein davon.
    »Genieße es«, murmelte Murdo verdrießlich und machte es sich im Stroh bequem.
    Trotz des Lärms, den die feiernden Nordmänner verursachten, schlief Murdo aufgrund der Anstrengungen des Tages und dank des Weins bald tief und fest.
    Früh am nächsten Morgen erwachte er wieder - gerade früh genug, um zu sehen, wie die drei Mönche das Quartier zur Morgenmesse verließen. Um nicht von ihnen eingeladen zu werden, sie zu begleiten, hielt er den Kopf gesenkt und die Augen geschlossen, bis sie verschwunden waren. Dann stand er auf und eilte davon; denn er wollte dem König, so gut es ging, aus dem Weg gehen, um Magnus nicht erklären zu müssen, was ihn hierhergeführt hatte.
    Auf dem Weg hinaus schnappte er sich einen Rest Brot vom gestrigen Abendessen und ging kauend zu dem Platz, den er gestern bereits besucht hatte. Im Licht des Morgens wirkte die Stadt vollkommen anders als gestern abend - allerdings nicht besser. Im Gegensatz zur breiten Hauptstraße waren die Nebenstraßen keineswegs gepflastert, sondern bestanden aus festgestampfter Erde, und aufgewirbelter Staub verlieh den Häusern im unteren Teil eine einheitlich blasse, graugelbe Farbe.
    Als Murdo an einem dieser Häuser vorüberkam, trat eine alte Frau mit einem Bündel Zweige aus der Tür und begann die Stufen vor dem Eingang zu fegen. Sie starrte Murdo hinterher, murmelte etwas vor sich hin und bekreuzigte sich mit dem Bündel Zweige in der Hand.
    Obwohl die Sonne gerade erst aufgegangen war, spürte Murdo bereits die Hitze, die im Laufe des Tages noch erheblich zunehmen sollte. Das Tal jenseits der Mauer war hinter einem dichten, bläulichen Dunstschleier verborgen, und die weißglühende Sonne brannte aus einem bleichen Himmel herab. Inzwischen hatte er den Platz erreicht, wo er gestern abend gewesen war. Während er dort stand und auf die Stadt hinunterblickte, erschienen die ersten Händler, um ihre Stände aufzubauen. Murdo beobachtete, wie die Männer und Frauen ihrer Arbeit nachgingen, und alsbald fiel ihm ihre bewundernswerte Kleidung auf. Allesamt waren sie in wogende Gewänder gehüllt, die vom Hals bis zu den Füßen reichten und an der Hüfte von breiten Stoffgürteln zusammengehalten wurden; doch besonders beeindruckte Murdo die Farbenvielfalt: blutrot und blau gestreift, funkelndes Smaragdgrün, kräftiges Dottergelb, Dunkelbraun mit purpurnen Streifen durchwirkt mit Silberfäden, Elfenbeinweiß und Himmelblau, Rosen- und Scharlachrot, Gold und Indigoblau, das so dunkel war, daß man es fast als Schwarz hätte bezeichnen können.
    Die außergewöhnliche Kleidung der Einheimischen machte
    Murdo bewußt, wie schäbig er selbst aussah. Er blickte an sich herunter: Sowohl Wams als auch Hose waren abgenutzt, an Ellbogen und Knien sogar durchgescheuert. Seine Stiefel und sein Gürtel befanden sich zwar noch in gutem Zustand, aber sein einst so gutaussehender rotbrauner Umhang war verblaßt, voller Flecken und ausgefranst.
    Obwohl er nicht im Traum daran dachte, seine Kleidung den Einwohnern von Antiochia anzupassen, so kam er dennoch zu dem Schluß, daß er sich vielleicht ein neues Wams zulegen sollte, und so blieb er am Rande des Marktplatzes stehen, während immer mehr Händler eintrafen, ihre mit Tüchern vor der Sonne geschützten Stände aufschlugen und ihre Waren auf Tischen oder Grasmatten ausbreiteten. Viele der Händler besaßen Esel, die ihnen die Last abnahmen; manche jedoch trugen all ihre Waren in Körben auf dem eigenen Rücken. Murdo hatte noch nie zuvor einen Esel gesehen; er

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