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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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freundlicher. Auf den meisten Dächern konnte Murdo kleine Bäume und Sträucher erkennen, und selbst die kleinsten Behausungen besaßen eine von wildem Wein überwucherte Arkade, die den Bewohnern Schatten spendete. Auf vielen der flachen Dächer entdeckte Murdo auch Menschen, die der ein oder anderen Arbeit nachgingen - vielleicht wuschen sie ihre
    Kleider oder bereiteten das Abendessen vor -, und aus unzähligen Kohlenbecken stiegen silberne Rauchfäden in die immer noch warme Luft. Murdo hörte die Stimmen der Menschen - Rufe von Kindern, die durch die Straßen hallten, und irgendwo schrie ein Baby.
    Wie mag es sein, fragte sich Murdo, so eng mit so vielen anderen Menschen zusammenzuleben? Welche Art Mensch baute Städte wie diese? Sehnten sie sich nie nach der Weite des Meeres oder des Himmels, oder nach der Freiheit der sanften Hügel, die sich bis zum Horizont erstreckten?
    Murdo blickte über die Häuser hinweg. Unzählige Kuppeln erhoben sich zwischen den meist flachen Dächern. Neben einigen dieser Kuppeln standen seltsame runde Türme, deren Spitze von Standarten mit einer Sichel oder einem Halbmond geziert wurden. Auf vielen dieser Kuppeln waren allerdings auch Kreuze zu erkennen, was die dazugehörigen Gebäude als Kirchen auswies. Murdo begann die Kreuze zu zählen, doch rasch verlor er den Überblick und wandte seine Aufmerksamkeit statt dessen wieder den mächtigen Mauern mit ihren vielen Türmen und dem dahinterliegenden Land zu. Eine Handvoll Sterne funkelte unmittelbar über den Silhouetten der Berge im Norden. Im Westen lag das Meer, und im Osten floß der sanftmütige Orontes in seinem Bett.
    Antiochia war keine Stadt, in der er freiwillig leben würde, entschied Murdo. Trotz ihrer Größe hatte er das Gefühl, von riesigen Mauern erdrückt zu werden. Auch die Enge zwischen den Häusern, Kirchen und anderen Gebäuden bedrückte ihn.
    Plötzlich verlor er jedwede Lust an weiteren Erkundungen; also drehte er sich um und ging über den Platz zur Zitadelle zurück. Als er dort ankam, verschwand gerade das letzte Licht vom Himmel über ihm.
    Ausgelassenes Gelächter hallte ihm aus den Ställen entgegen, und Murdo trat vorsichtig ein, in der Hoffnung, sich wieder unbemerkt in seine Ecke zurückziehen zu können. Die Hoffnung war jedoch vergebens, denn Orin Breitfuß entdeckte ihn und rief: »Komm, Mur-do! Ich möchte, daß du unseren Herrn und König kennenlernst.«
    Murdo atmete tief durch, drehte sich um und ging zu der Stelle, wo der König und sein Gefolge saßen. Jon Reißzahn saß zur Rechten des Königs und Orin Breitfuß zu dessen Linker. Die drei Mönche saßen neben Jon; sie waren froh, endlich wieder mit ihrem Wohltäter vereint zu sein. Den Rest der Plätze füllten Männer, die Mur-do nicht kannte, doch ihn interessierte ohnehin nur der König.
    Zwar war König Magnus weder so groß wie Orin noch so muskulös wie Jon; trotzdem besaß er eine Ausstrahlung, die jedermann Achtung abverlangte, der in seine Gegenwart trat, wenn nicht gar Respekt. Bart und Haar waren geflochten und die dunklen Zöpfe geölt, daß sie glänzten. Seine Augen waren blaß wie der Himmel seiner Heimat; Klugheit und Vorsicht lagen in ihnen. Magnus zeigte mit seinem Lächeln deutlich seinen guten Willen, und sein Verhalten war zugleich locker und würdevoll.
    Während Murdo sich ihm näherte und versuchte, den König der Nordmänner einzuschätzen, hörte er Orin sagen: »Seht her, mein König. Ich stelle Euch jemanden aus Eurem eigenen Stamm vor: einen Orkneyingar mit Namen Murdo Mutauge.«
    »So, so!« rief der König gutgelaunt. »Heil und willkommen, mein Freund. Wie kommt es, daß jemand in so jungen Jahren unter meinem Kriegsbanner dient?«
    Murdo wurde von Jon Reißzahn aus der Verlegenheit befreit, dem König eine Erklärung abgeben zu müssen, denn der stämmige Nordmann kletterte plötzlich auf den Tisch und hob den Becher. »Höret! Höret!« rief er und schwenkte den Becher hin und her. »Heil dir, König Magnus!« erklärte er und schwor dem König seine Treue, während die Männer mit Fäusten und Messern auf den Tisch hämmerten. Die Neuankömmlinge tranken allesamt auf das Wohl des Königs, woraufhin die anderen sich nicht lumpen lassen wollten und ebenfalls ihren Eid dem König gegenüber erneuerten.
    Murdo hatte jedoch nicht die Absicht, den Rest des Abends in Gesellschaft des Königs zu verbringen, also nutzte er die erstbeste Gelegenheit, um sich davonzustehlen. Schließlich fand er einen freien

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