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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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eine Glocke ertönte. Murdo blieb stehen und blickte über die Schulter zurück. Die kleine Holztür der Kapelle war inzwischen geöffnet worden, und irgendwie wirkte das Gotteshaus einladend auf Murdo, so daß er wieder kehrtmachte und hineinging.
    Im Inneren der Kapelle war es ungewöhnlich dunkel. Nur durch ein kleines Fenster über dem Altar fiel ein wenig Licht herein. Mur-do blieb unwillkürlich stehen und wartete darauf, daß sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
    »Pax tecum«, sagte eine freundliche Stimme.
    »Et cum spiritu tuo«, antwortete Murdo, der froh war, endlich in einer Sprache angesprochen zu werden, die er verstand. Er blickte in den dunklen Innenraum, und ein Mann in einer weißen Mönchsrobe trat aus den Schatten hinter dem Altar hervor. Er winkte Mur-do zu sich heran, der sich daraufhin zögernd ein paar Schritte vorwagte.
    »Du bist neu in der Stadt«, bemerkte der Priester und trat näher.
    »Ja«, bestätigte Murdo. »Wir sind gestern angekommen.«
    Der Mann trat einen weiteren Schritt näher. Nun bemerkte Mur-do, daß es sich um einen sehr jungen Mann handelte - soweit man das in der Dunkelheit überhaupt beurteilen konnte -, einen jungen Mann mit freundlichem Gesicht. Sein schwarzes Haar und sein ebenso schwarzer Bart waren kurz geschnitten und so lockig, daß Mur-do sich an ein Lammvlies erinnert fühlte. Beim Lächeln enthüllte der Mann eine Reihe gerader, strahlend weißer Zähne. Seine dunklen Augen funkelten selbst in dem spärlichen Licht, das durch die Tür hereinfiel, und sein Blick war scharf und offen.
    Der Mönch musterte Murdo einen Augenblick lang, dann fragte er: »Was führt dich hierher, mein Sohn? Welchen Wunsch kann ich dir erfüllen?«
    Seltsamerweise war das erste, was Murdo als Antwort auf diese Frage einfiel, daß er sich nichts sehnlicher wünschte, als wieder daheim zu sein - in Orkneyjar, auf Hrafnbu, um dort mit Ragna und seiner Familie den Rest seines Lebens in Glück und Frieden zu verbringen. Vor seinem geistigen Auge sah er sich selbst inmitten geliebter Menschen in einem grünen Tal, umgeben von sanften Hügeln unter einem weiten, offenen, nordischen Himmel. Obwohl diese Vision nicht länger als einen Herzschlag dauerte, erzeugte sie eine solche Sehnsucht in ihm, daß es Murdo den Atem verschlug, und so starrte er den Priester nur sprachlos an.
    »Hab keine Angst«, sagte der Mönch und hob beruhigend die Hand. »Hier bist du in Sicherheit. Sag mir, was du suchst?«
    Murdo schluckte und fand die Sprache wieder. »Ich habe mich offenbar verlaufen«, erklärte er schlicht. »Ich versuche nun schon seit Stunden, wieder zur Zitadelle zurückzufinden.«
    Der Priester lächelte. »Verzage nicht. Du bist deinem Ziel näher, als du glaubst.« Er trat näher. »Komm. Ich werde dir den Weg zeigen.«
    Als sich der Mönch an Murdo vorbeischob, spürte dieser ein selt-
    sames Gefühl auf der Haut - wie das Kribbeln, das ihn jedesmal überkam, wenn er auf dem Meer einen herannahenden Sturm beobachtete; ja, er glaubte sogar, die eisige, regennasse Luft zu riechen. Es war ein Gefühl, als hätte ihn ein Stück Heimat gestreift, ein Stück Heimat, das jedoch sofort wieder verschwunden war.
    Der weißgewandete Mönch führte ihn wieder auf die Straße hinaus. Dort deutete er auf den rechten Weg und erklärte: »Wenn du dieser Straße folgst, wirst du an ihrem Ende auf einen Markt stoßen. Die Zitadelle liegt unmittelbar dahinter.«
    Murdo nickte resigniert. Er hatte diesen Weg bereits ausprobiert -mindestens zweimal sogar -, und er war noch nicht einmal bis auf Rufweite an den Markt herangekommen. Dennoch bedankte er sich bei dem Mönch und machte sich auf den Weg.
    »Vergiß nicht: Der Wahre Weg ist schmal, und nur wenige betreten ihn«, sagte der Mönch zum Abschied, und wahrlich, Blitze schienen aus diesen kühnen Augen zu schlagen. »Aber du gehörst zu den wenigen Auserwählten, denn das Heilige Licht weist dir den Weg. Geh mit Gott, mein Freund.«
    Da er nicht in der Lage war zu verstehen, was der geheimnisvolle Priester soeben gesagt hatte, starrte Murdo ihn verblüfft an. Der Mönch segnete ihn mit dem Zeichen des Kreuzes und kehrte in die Kapelle zurück. Dann wurde die Tür wieder geschlossen, und verwirrt ob dieser seltsamen Begegnung ging Murdo weiter. Bevor er sich versah, hatte er das Ende der Straße erreicht und fand sich am Rand eines geschäftigen Marktplatzes wieder.
    Er blieb stehen und blickte zurück. Die Entfernung war so gering, höchstens

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