Der Sohn des Kreuzfahrers
kam jeglicher Widerstand zum Erliegen, und Jerusalem und seine Bürger waren ohne Schutz.
Zuerst vermuteten nur wenige, welche Gefahr ihnen nun drohte. Die Muslime hatten sich voller Angst in ihren Häusern verbarrikadiert, während die Juden sich weit weniger besorgt zeigten, auch wenn ihnen die fränkischen Eroberer nicht ganz geheuer waren. Die meisten christlichen Einwohner hatte der ägyptische Gouverneur im Vorfeld der Belagerung aus Sicherheitsgründen aus der Stadt schaffen lassen. Daß sich gerade die Juden kaum Sorgen machten, lag im übrigen darin begründet, daß dies hier immerhin ihre Stadt war -jeder Eroberer, von den Persern bis zu den Mohammedanern, hatte das stets anerkannt.
Dann begann das Schlachten.
Unfähig, Araber von Juden und Juden von Ägyptern zu unterscheiden, und unwillig, Frieden auszuhandeln, konnte die triumphierenden Pilger nur Blut befriedigen - besonders nach der langen, leidvollen Reise durch die Wüsten Syriens und Judäas, nach den Qualen, die sie vor den Toren Antiochias und andernorts erlitten hatten und nach all den Heimsuchungen wie Pest und Hunger, die in den drei Jahren, seit sie sich auf den Weg gemacht hatten, ihre ständigen Begleiter gewesen waren.
Durch die Tore im Norden und Westen strömten Kreuzfahrer in die Stadt, die bis jetzt noch an keinen Kämpfen in und um Jerusalem teilgenommen hatten. Sie rannten durch die Straßen, brachen in Häuser ein und überantworteten die Bewohner dem Schwert, bevor sie die Gebäude bis auf den letzten Raum ausplünderten. Die entsetzten Einwohner flohen vor diesem unerwarteten Angriff in den Südteil der Stadt, wohin die Invasoren bis jetzt noch nicht vorgedrungen waren. Dort hofften sie durch eines der Tore auf den Berg Zion entkommen zu können.
König Magnus und seine Nordmänner erreichten die Stadt just in dem Augenblick, als die Plünderungen im Nordteil ihren Höhepunkt erreicht hatten und begannen, sich nach Süden auszudehnen.
(chwitzend von dem langen Aufstieg hockte Murdo auf einem Hügel im Schatten eines Olivenbaums und blickte zur Heiligen Stadt hinüber, deren riesige Mauern steil aus dem HinnomTal über die Lager der Kreuzfahrer emporragten, welche wie Flik-kenteppiche den Talboden bedeckten.
Von seinem Standort aus konnte Murdo fast den gesamten Lauf der Mauer, gleich einem riesigen steinernen Vorhang, mit einem Blick erfassen: nach Norden und Osten sich aufschwingend bis zu den fernen Höhen des Bergs Moriah, gen Sünden oberhalb des Bergs Zion in Richtung des abfallenden Kidrontals. Eine riesige, schmutzige, schwarze Rauchsäule stieg aus der Stadt empor, und ein stinkender, ekelhaft brauner Dunstschleier hatte sich über die Landschaft gelegt.
Das Jaffa-Tor stand weit offen, so daß ständig Kreuzfahrer in die Stadt hinein- und wieder hinausströmen konnten. Aus verschiedenen Vierteln hallten Rufe, Schreie und Schlachtenlärm herüber, gemischt mit einem unheimlichen Heulen, das mit dem Wind lauter und leiser wurde, der immer wieder heiße, trockene Luft aufdie Hügel hinauswehte. Dank des dichten Rauchs wirkte die Sonne nur noch wie ein matter blutroter Feuerball, der die Stadt in ein gespenstisches Licht tauchte. Murdo nahm die Börse von seinem Gürtel und holte die kleine Pilgermünze hervor. Er betrachtete die Münze eine Weile, schalt sich für die Dummheit, sie die ganze Zeit über mitgeschleppt zu haben und warf sie schließlich weg. Er brauchte sie nicht mehr.
Überall um ihn herum scharrten die Nordmänner mit den stumpfen Seiten ihrer Speere im knochentrockenen Boden und prahlten
damit, wieviel Beute sie machen und wie viele Feinde sie erschlagen würden. König Magnus war zwar ebenso wie alle anderen begierig darauf, sich seinen Teil der Beute zu sichern, dennoch nahm er sich Zeit, sich erst einmal umzusehen, um sich ein Bild von der Umgebung zu machen. Durch jahrelange Studien mit dem Heiligen Land vertraut, hatten die Mönche für den König eine einfache Zeichnung der Stadt angefertigt; Fionn hielt die grobe Karte, während Ronan die bemerkenswertesten Punkte der Stadt und ihrer Umgebung erläuterte.
Murdo ignorierte die geistlose Prahlerei um sich herum und konzentrierte sich statt dessen auf die Worte des alten Kirchenmannes.
»Vor uns befindet sich das Haupttor, das sogenannte Jaffa-Tor«, erklärte Ronan und deutete auf ein riesiges Gebilde auf der Westseite. »Dies hier ist der Davidsturm - eine der größeren Bastionen.« Der Finger wanderte zu einer Reihe von Kuppeln, die hoch
Weitere Kostenlose Bücher