Der Sohn des Kreuzfahrers
über den Rest der Stadt hinausragten. »Das ist der Tempelbezirk aufdem Berg Moriah. Dort haben die Mohammedaner ihre Moschee errichtet.«
Bruder Ronan fuhr fort, dem König und seinen Gefolgsleuten weitere Besonderheiten der Umgebung zu erläutern, und Murdo rückte ein wenig näher heran, um ihm besser zuhören zu können. Vom alten Tempel sei nur noch wenig übriggeblieben, berichtete der Priester; die alten Mauern seien von den Römern eingerissen, von den Byzantinern wieder aufgebaut und von den Muslimen übernommen worden. Murdo erkannte deutlich die goldene Kuppel der Moschee und die langen Türme - sogenannte Minaretts, wie er inzwischen gelernt hatte -, die majestätisch über der Stadt in den Himmel ragten.
»Der Ölberg befindet sich auf der Südseite der Stadt«, fuhr Ronan fort. »Von hier aus können wir ihn nicht sehen.«
»Ich glaube aber, wir können Golgatha von hier sehen«, bemerkte Fionn und blickte von der Karte auf. »Es könnte der kleine Hügel dort drüben sein.« Er blinzelte in die entsprechende Richtung. »Oder vielleicht auch der daneben.«
»Die Grabeskirche befindet sich innerhalb der Mauern«, fügte Em-lyn hilfsbereit hinzu. »Viele glauben, unser Herr sei ohnehin nie dort begraben worden, sondern in einem Gartengrab außerhalb der Stadt.« Nach Osten deutend fuhr er fort: »Ist das dort die Grabeskirche der heiligen Jungfrau? Wenn ja, dann müßte das Grab.«
»Aber du irrst dich, Bruder«, unterbrach ihn Fionn. »Das dort drüben auf dem Hügel ist die Kirche des heiligen Stephan. Die Grabeskirche der heiligen Jungfrau befindet sich auf dem Berg Zion.« Er deutete auf einen Felshaufen, der sich im Süden der Stadt erhob.
»Du hast natürlich recht«, stimmte ihm Emlyn gelassen zu. »Dennoch glaube ich, daß sich das Gartengrab zwischen hier und dieser Kirche dort drüben befindet. Mehr wollte ich mit alledem eigentlich gar nicht sagen.«
»Und dafür bin ich dir sehr dankbar«, meldete sich König Magnus zu Wort. »Ich fürchte, uns eilt die Zeit davon.« An Ronan gewandt sagte er: »Wenn ihr uns sonst nichts mehr zu sagen habt, werden wir uns jetzt in die Schlacht stürzen.«
»Ich habe Euch alles gesagt, was ich weiß«, erwiderte Ronan und nickte nachdenklich. »Ja, ich glaube, das war alles.«
König Magnus dankte seinen weisen Ratgebern und erklärte, er würde zum Tempelbezirk gehen. Sollte irgendwo noch gekämpft werden, dann sicherlich dort. Der König drehte sich um, hob das Schwert und rief:»Für Gott und Ruhm!« Dann führte er seine Männer in den Kampf.
Rasch marschierten sie den Hügel hinab und durchquerten das schmale Tal. Als sie das Tor erreichten, zögerten sie nicht, sondern drangen sofort in die rauchgefüllte Stadt ein, um ihren Kameraden beim Plündern zur Hand zu gehen.
Murdo und die Mönche folgten den Kriegern dicht auf dem Fuß -jedenfalls bis zum Tor. Dort, inmitten der rein- und rausströmenden Kriegerhaufen, blieben die Mönche stehen.
»Wir werden vor den Mauern warten, bis die Stadt befreit ist. Wir können mehr von Nutzen sein, wenn wir uns um die Verwundeten kümmern«, erklärte Ronan. »Bleib bei uns, Murdo. Es scheint,
als seien die Kämpfe fast vorüber. König Magnus wird deinen Speer heute nicht mehr brauchen; ich werde ihm sagen, du seist hiergeblieben, um uns zu helfen.«
»Mein Vater und meine Brüder sind hier irgendwo«, erwiderte Mur-do. »Ich werde sie finden.«
»Warte nur ein ganz klein wenig länger«, bat ihn Emlyn. »Wir werden dir suchen helfen, wenn Jerusalem gewonnen ist.«
»Nein«, Murdo drehte sich entschlossen um, »ich habe lange genug gewartet. Ich werde sie jetzt finden.«
Die Mönche versuchten nicht länger, Murdo von seinem Vorhaben abzuhalten, sondern gaben ihm statt dessen ihren Segen. Die Hände zum Himmel erhoben sagte Ronan: »Herr im Himmel, schicke einen Engel über, unter, vor, hinter und neben unseren Freund; halte in allem deine schützende Hand über ihn und bring ihn in Frieden wieder zurück.« Dann schlug Ronan das Kreuz über Murdo und fügte hinzu: »Komm wieder zurück, wenn deine Suche beendet ist. Wir werden deiner in unseren Gebeten gedenken, bis wir uns wiedersehen.«
Murdo nickte knapp als Zeichen, daß er die Bitte des Mönchs erfüllen wollte, dann schloß er sich den Soldaten an, die durch das Tor in die Stadt strömten.
Das Tor glich mehr einem Tunnel denn einer Tür; im Durchgang war es dunkel, und überall war Rauch. Murdo atmete tief durch, verstärkte den Griff um
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