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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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weit aufgerissenen Augen festgesetzt.
    Ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelte, vermochte Murdo nicht zu sagen, aber er staunte über die ruhige Gelassenheit in dem kleinen Gesicht. Wie war es nur möglich, daß das Kind trotz seines schrecklichen Todes noch soviel Frieden ausstrahlen konnte? Lange stand Murdo dort und betrachtete das Kind. Erst nach und nach wurde er sich der Rufe und des groben Gelächters bewußt, die von der anderen Seite des Hauses zu ihm herüberhallten. Vermutlich dauerte der Tumult schon eine Weile an, doch in Gedanken bei dem Kind, hatte Murdo dem keine Aufmerksamkeit geschenkt.
    Nun jedoch ging er in die entsprechende Richtung und schaute nach: Fünf Pilger standen vor einer Mauer - zwei hielten ein Kind zwischen sich und zwei andere eine Frau, die rasend vor Zorn und Angst war; der fünfte Pilger stand hinter der Frau mit dem Schwert in der Hand. Die Kleidung der Frau war zerrissen, und sie riefnach ihrem Baby, das sich schreiend im Griff der Kreuzfahrer wand. Ein Mann saß regungslos und mit gesenktem Kopf an der Wand; die Vorderseite seines Gewandes war eine einzige blutige Masse.
    Die Soldaten mit dem Baby boten der Mutter ihr Kind an. Sie sagten etwas zu ihr, und sie versuchte, ihnen entgegenzukommen, konnte sich aber nicht aus dem Griff ihrer Peiniger lösen. Wieder hielten die Männer ihr das Baby entgegen, und wieder versuchte die Frau, sich zu lösen, und das Kind wurde wieder zurückgerissen. Diesmal jedoch drehten die Kreuzfahrer sich anschließend um und warfen das Kind mit dem Kopf voran gegen die Wand.
    Tot glitt das Kind zu Boden.
    Im selben Augenblick ließen die beiden anderen Schläger die Mutter los. Die Frau sprang sofort zu ihrem Kind; gleichzeitig jedoch schwang der Mann hinter ihr sein Schwert. Der Hieb traf sie genau im Nacken. Mitten im Lauf brach die Unglückliche zusammen, rollte noch ein Stück über den Boden und blieb schließlich zwischen
    den Beinen ihres toten Mannes liegen.
    Das ekelerregende Gelächter der Mörder in den Ohren, drehte Mur-do sich um und rannte davon. Diesmal lief er jedoch nicht weit, sondern verlangsamte seinen Schritt rasch wieder. Inzwischen bewegte er sich, als sei er in einem Traum gefangen: Er sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts; er stolperte durch die Straßen, stürzte, raffte sich wieder auf und wankte weiter. Sein Herz war krank vor Abscheu und Scham.
    Heute bin ich durch die Hölle gegangen, dachte er. Dieser Gedanke hallte immer und immer wieder durch seinen Kopf.
    Einige Zeit später, lange nach Sonnenuntergang, erreichte er schließlich wieder das Jaffa-Tor, und Murdo Ranulfson verließ Jerusalem. Während er durch das große Tor hinauswankte, blieb er kurz stehen und entledigte sich des geliehenen Umhangs. Er zog das Kleidungsstück über den Kopf und hielt es in die Höhe, um das weiße Kreuz darauf im blassen, rauchverschleierten Mondlicht zu betrachten.

Von Ekel übermannt knüllte er den Umhang zusammen und warf ihn in hohem Bogen weg. Dann zog er auch seine Hose und seine Stiefel aus und warf sie ebenfalls fort, bevor er die Heilige Stadt endgültig verließ.
    In dieser Nacht schlief er nicht, sondern streunte durch das dunkle Tal außerhalb der Mauer. Rastlos in seiner Suche wanderte er von einem Lager zum anderen. Allerdings erinnerte sich Murdo schon lange nicht mehr daran, warum er suchte, oder was er zu finden hoffte.
    as Fieber wütete zwei Tage und Nächte, und als es schließlich seinen Griff lockerte, dämmerte im Osten ein trüber, windgepeitschter Tag. Niamh, welche die vergangenen Tage und Nächte ohne Unterlaß am Bett ihrer Freundin verbracht hatte, spürte plötzlich, wie die wilde Hitze die Hände unter ihren eigenen verließ. Sofort erwachte sie aus ihrem Halbschlaf, nahm das Tuch von Ragnhilds Stirn, tunkte es in die Schüssel, wrang es aus und legte es wieder zurück.
    Bei der Berührung des kühlen Tuchs schlug Ragnhild die Augen auf. Ihre aufgesprungenen Lippen öffneten sich, und sie versuchte zu sprechen.
    »Warte«, sagte Niamh sanft, und hob eine Schüssel mit Wasser an den Mund der kranken Frau. »Trink ein wenig. Das wird dir helfen.«
    Ragnhild schluckte etwas Wasser und versuchte erneut zu sprechen. »Ragna...«, sagte sie. Ihre Stimme war nicht mehr als ein leises Krächzen.
    »Sie ist nebenan. Ich werde sie holen.«
    Niamh stand auf und eilte in den Nebenraum, wo Ragna auf einem Stuhl neben dem Kamin schlief. Als Niamh ihr die Hand auf die Schulter legte, wachte die

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