Der Sohn des Kreuzfahrers
Sprung. »Wach auf! Die Männer! Ich glaube, die Männer sind wieder da!«
Niamh war sofort hellwach. »Was? Die Männer, sagst du?« Sie eilte zu dem einzelnen kleinen Fenster, rieb mit der Hand über die beschlagene Glasscheibe und spähte hinaus.
»Kannst du irgend etwas erkennen?« Ragna setzte sich aufgeregt auf und weckte das Baby, das sofort mit einer Stimme zu schreien begann, die nicht kräftiger war als das Zwitschern eines Vogels. »Schschsch, mein Liebling«, beruhigte es die Mutter. »Alles ist gut.«
»Es ist noch dunkel«, berichtete Niamh. »Ich kann nicht sehen, wer dort ist. Sie haben Pferde. Es sind drei oder vier ... glaube ich.«
»Sind sie es? Ist Murdo bei ihnen?«
»Ich weiß es nicht.«
Mit lautem Krachen wurde die Haustür aufgestoßen, und die Stimmen von draußen strömten ins Haus. Dann eilten schwere Schritte die Treppe hinauf. »Sie kommen hier herauf!«
Niamh bückte sich, nahm ein Schüreisen aus dem Ständer neben dem Kamin und stellte sich neben das Bett. Weitere Türen wurden aufgestoßen, und einen Herzschlag später öffnete sich auch die Tür zum Gemach der beiden Frauen, und der Kopf und die Schultern eines Mannes erschienen in der Öffnung. Niamh hob das Schüreisen.
Der Eindringling sah die Frauen und rief zu jemandem hinter ihm: »Hier sind sie! Ich habe sie gefunden!« Die Tür stand nun sperrangelweit offen, doch der Mann kam nicht herein.
Statt dessen trat er beiseite, und zwei andere gesellten sich zu ihm, von denen einer ein Priester in langem braunen Gewand und mit Kapuze war. Der erste Eindringling war ein großer blonder Ritter von edler Haltung. Gelassen betrachtete er die beiden Frauen. Sein Blick war fest, doch keineswegs bedrohlich. »Edle Frau«, sagte er und neigte den Kopf. Er blickte von Ragna zu Niamh, als sei er nicht sicher, wen von beiden er so ansprechen solle.
»Wer seid Ihr?« verlangte Niamh zu wissen, senkte das Schüreisen, legte es sich aber zur Warnung über die Brust.
»Ich bin Hakon Kol, Gefolgsmann Prinz Sigurds.«
»Was fällt Euch ein, den Frieden dieses Hauses zu stören?«
»Es tut mir leid, edle Frau«, antwortete der Krieger. »Wir kommen von Bischof Adalbert, welcher.« Nervös blickte er zu der jungen Frau im Bett, die ihr Kind an die Brust drückte, und ihn verließ der Mut. »Der. Der Bischof hat.«
Als der Priester sah, wie sein Abgesandter ins Wanken geriet, schob er den Ritter ungeduldig beiseite. »Der Bischof hat dieses Haus und alle seine Ländereien dem Schutz der Kirche unterstellt.« Von Ni-amh zu Ragna blickend fragte er: »Seid Ihr Herrn Brusis Tochter?«
»Ja, aber.«
»Leugnet Ihr, daß Frau Ragnhild vor vier Tagen gestorben ist?«
»Ich leugne gar nichts«, erwiderte Ragna, und ihre Furcht wich Unglauben und Verwirrung. »Aber der Bischof weiß ganz genau, daß.«
Der Priester zog ein zusammengerolltes Pergament aus dem Beutel an seinem Handgelenk. Er entrollte es und begann zu lesen: »Hiermit sei kund und zu wissen getan, daß zum Wohle der Bewirtschaftung dieser Ländereien Bischof Adalbert von Orkneyjar hiermit seinen Besitzanspruch geltend macht, den ihm Herr Brusi von Hrolfsey durch Unterzeichnung des päpstlichen Ablaßdekrets verliehen hat.«
»Wir sind uns dieses Dekrets durchaus bewußt«, erklärte Niamh wütend, »doch scheint uns der Zeitpunkt recht merkwürdig, den ihr gewählt habt, um uns daran zu erinnern.«
Der Kirchenmann ignorierte die Bemerkung und fuhr fort zu lesen: »Zum Schutze aller überlebenden Verwandten, Mündel, Abhängigen und Vasallen von Herrn Brusi hat der Bischof unter Wahrung seiner Rechte angeordnet, daß alle Bewohner dieser Insel unverzüglich von hier fortzuschaffen sind.«
»Zu unserem Schutz?« Niamh trat einen Schritt vor. »Sprich offen, Priester! Du willst uns unsere Heimat wegnehmen und uns in die
Kälte hinauswerfen.«
Sorgfältig rollte der Priester das Pergament wieder zusammen und verstaute es in seinem Beutel. »Andernorts sind angemessene Vorkehrungen für Euch getroffen worden.«
»Mein Vater befindet sich aufPilgerfahrt«, sagte Ragna, der es schwer fiel, die Ruhe zu bewahren. »Wenn er zurückkehrt, wird er wieder die Herrschaft über dieses Land übernehmen.«
Der Priester blickte ihr kalt in die Augen. »Wenn er zurückkehrt.«
»Das hier ist unsere Heimat«, flehte Ragna. »Wir haben jedes Recht hierzubleiben.«
»Der Bischof ist für Euer Wohl verantwortlich, und er ist bemüht, Euch zu beschützen.«
»Der Bischof ist nur bemüht,
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