Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
Vom Netzwerk:
junge Frau sofort auf. »Das Fieber ist fort, und sie fragt nach dir.«
    Ragna rappelte sich auf und preßte die Hand in den Rücken, um sich geradehalten zu können. Niamh ergriff ihren Arm und führte sie zum Zimmer der Mutter.
    »Geh nur hinein«, sagte Niamh. »Ich bin hier draußen, wenn du mich brauchst.«
    Ragna nickte und trat durch die Tür. Das Feuer im Kamin in der Ecke war schon weit heruntergebrannt; es war kühl im Zimmer, doch da alle Fenster geschlossen waren, war die Luft abgestanden. Rag-na ging zum Bett, ließ ihren unbeholfenen Leib langsam auf den Stuhl sinken und ergriff die Hand ihrer Mutter.
    Ragnhild öffnete die Augen, sah ihre Tochter und lächelte schwach.
    »Ragna, mein Herz«, sagte sie so leise, daß man sie kaum verstehen konnte. »Ist das Baby schon da?«
    »Noch nicht, Mutter«, antwortete die junge Frau, »aber bald. Es kann jetzt jeden Tag soweit sein. Du mußt dich ausruhen und rasch wieder gesund werden, damit du bei der Geburt dabeisein kannst.«
    Frau Ragnhild nickte. Sie schloß wieder die Augen. »Ich bin so müde . so unendlich müde.«
    Ragna wartete, bis ihre Mutter wieder eingeschlafen war, erst dann stand sie auf. »Ich glaube, du hast recht«, sagte sie zu Niamh, nachdem sie wieder nach nebenan gegangen war. »Das Fieber ist fort. Sie schläft jetzt.«
    Niamh legte Ragna die Hand auf die Wange. Die Haut fühlte sich kühl an. »Und wie fühlst du dich?«
    »So schwer und unbeholfen wie ein alter Ochse«, antwortete Rag-na und strich sich über den mächtigen Bauch. »Trotzdem«, fügte sie lächelnd hinzu, »fühle ich mich gut.«
    »Zum Wohle des Kindes solltest du dich jetzt besser ausruhen.« Niamh ergriff Ragnas Ellbogen und führte die schwangere junge Frau hinaus. »Ich werde dafür sorgen, daß Tailtiu dir etwas zu essen bringt. Dann solltest du dich hinlegen.«
    »Was ist mit dir, Nia? Wann ruhst du dich aus?«
    »Mach dir keine Sorgen um mich«, erwiderte Niamh. »Schließlich bekomme ich ja kein Kind. Geh jetzt, und tu, was ich dir gesagt habe. Ich werde bei Ragni bleiben und dich wecken, wenn sie nach dir fragt.«
    »Also gut«, willigte Ragna ein und gestattete, daß man sie ins Bett brachte.
    Als sie ins Zimmer der kranken Frau zurückkehrte, legte Niamh etwas Feuerholz nach, um die Kälte zu vertreiben, und setzte sich wieder auf ihren Stuhl neben dem Bett. Sie schloß die Augen, faltete die Hände und begann, leise zu beten. Ragnhild murmelte im Schlaf, aber sie wachte nicht auf, und nachdem das Murmeln kurz darauf wieder aufhörte, stieß Niamh einen leisen Seufzer aus und betete weiter.
    Sie unterbrach ihr Beten erst, als ihr plötzlich bewußt wurde, daß sie die ganze Zeit darauf wartete, daß Ragnhild atmete. »Heiliger Gott im Himmel, bitte, nein«, keuchte sie, doch Frau Ragnhild war bereits tot.
    Am nächsten Tag beobachteten Niamh, Ragna und ein Dutzend von Cnoc Carrachs Pächtern, wie ein Priester Weihwasser auf die hölzerne Kiste sprenkelte, die Frau Ragnhilds sterbliche Überreste enthielt. Dann nahm der Priester das Weihrauchfaß und schwenkte es dreimal über dem Sarg, bevor er es in das Loch hinabließ, das man neben dem Altar gegraben hatte. Schließlich begann er zu singen, und bei jedem Kyrie eleison schwang er abermals das Rauchfaß.
    Als er seine Gebete beendet hatte, stellte er das Weihrauchfaß auf den Altar und entfernte das Tuch vom Sarg. Dann rief er vier Landarbeiter mit Seilen herbei, die im hinteren Teil der Kapelle gewartet hatten. Zögernd näherten sich diese dem Altar, bekreuzigten sich steif und nahmen ihre Plätze zu beiden Seiten des Sarges ein. Die Seile zogen sie unter dem Sarg her, um ihn anheben und über das Loch tragen zu können, in das sie ihn dann langsam hinunterließen.
    Würdevoll glitt der Sarg ins Grab, und alles war gut, bis einem der Männer das Seil aus der Hand rutschte. Der Sarg schlug mit solch einem endgültigen Knall auf dem Boden auf, daß Ragna, die sich bis dahin vorbildlich verhalten hatte, die Fassung verlor und augenblicklich zu weinen begann. Niamh nahm die junge Frau sofort in die Arme und streichelte ihr übers Haar, während der Priester erneut zu beten begann und seine Helfer das Grab zuschaufelten.
    Niamh drückte Ragna so fest an die Brust, als wolle sie die schluchzende junge Frau ersticken. Wortlos wünschte sie ihrer alten Freundin ein letztes Lebewohl, während die Erde festgetreten und die Bodenplatte wieder zurückgelegt wurde. Mit einem dumpfen Schlag fiel die mächtige

Weitere Kostenlose Bücher