Der Sohn des Kreuzfahrers
Lager zu bereiten, ritten Raimund und Adhemar zu Bohemunds Enklave. Dort wurden sie von den Edelleuten aus dem Gefolge des Fürsten empfangen, die sie in Abwesenheit ihres Herrn willkommen hießen.
»Bohemund ist nicht hier?« fragte Raimund. »Drei Monate lang haben wir ununterbrochen im Sattel gesessen. Wir kommen vom Papst höchstpersönlich.«
»Mit allem Respekt, Herr«, erwiderte einer der Ritter, »wir haben nicht gewußt, daß Ihr heute eintreffen würdet.« Der Ritter, ein Verwandter Bohemunds mit Namen Reinhold von Salerno, deutete auf das Zelt des Fürsten. »Dennoch erwartet Euch ein Becher Wein. Wir werden gemeinsam trinken, während.«
»Wo ist Bohemund?« unterbrach ihn Adhemar und runzelte die Stirn ob der gedankenlosen Nachlässigkeit des Fürsten.
»Er berät sich mit dem Kaiser, mein Herr Bischof«, antwortete Reinhold. »Der Fürst und seine Familie speisen heute zusammen mit Tankred und einigen anderen im Palast. Vor heute abend werden sie nicht zurückerwartet. Aber bitte, wartet hier und ruht Euch aus, bis Euer Lager aufgeschlagen ist.«
Verärgert über die glanzlose Begrüßung schnaufte Raimund verächtlich. »Wir werden uns erst ausruhen, nachdem wir siegreich durch die Tore von Jerusalem geritten sind - vorher nicht.«
»Hat sich etwa unser Herr Jesus Christus ausgeruht, als das Heil der Welt in Gefahr war?« verlangte Adhemar in scharfem Ton zu wissen.
»Bitte, verzeiht mir, meine Herren«, erwiderte Reinhold steif. »Ich scheine Eure höchst edlen Gefühle verletzt zu haben. Ich versichere Euch jedoch, daß es lediglich in meiner Absicht lag, Euch willkommen zu heißen.«
»Wir sehen, was der Fürst unter Willkommen versteht«, erklärte der Bischof. »Wir werden in unser Lager zurückkehren und Euch nicht länger belästigen.«
Mit diesen Worten machten sie wieder kehrt und ritten zu ihren Zelten zurück, die inzwischen ein wenig südöstlich von Bohemunds Lager aufgeschlagen worden waren. Bei ihrer Ankunft erwartete sie eine kaiserliche Abordnung, die sie unverzüglich zum Palast geleiten sollte.
Die Armeen von Hugo, Gottfried und Balduin waren endlich über den Bosporus gebracht worden, und Alexios war entschlossen, dafür zu sorgen, daß auch diese letzten Pilger so rasch wie möglich weiterzogen. Dementsprechend verschwendete er keine Sekunde, um auch bei Raimund dieselbe Taktik anzuwenden, die sich bereits bei Bohemund und Tankred bewährt hatte: Er bot dem Grafen von Toulouse teure Geschenke und Proviant für seine Männer an und versprach ihm die Kosten für die Überfahrt über den Bosporus zu übernehmen - als Gegenleistung für Raimunds und Adhemars Unterschrift unter dem Treueid.
Aber wo der unvorhersehbare Fürst von Tarent so bemerkenswert entgegenkommend und vernünftig gewesen war, legte der fromme Graf von Toulouse und der Provence eine Engstirnigkeit und Sturheit an den Tag, wie man sie ansonsten nur mit grauen, vierbeinigen Lasttieren in Verbindung brachte, und weigerte sich offen, jede Art von Dokument zu unterzeichnen, das seine ihm vom Papst gewährte Autorität in Frage stellte.
»Als der erste Edelmann, der das Kreuz genommen hat«, erklärte Raimund, »bin ich damit geehrt worden, meine Vollmacht aus den Händen von Papst Urban selbst zu erhalten. Daher muß ich respektvoll den Eid verweigern, den abzulegen Ihr mir vorschlagt.«
Bischof Adhemar, der Legat des Papstes, nickte weise und lächelte selbstgerecht. »Der Eid, den Ihr fordert, Kaiser Alexios, ist vollkommen unnötig«, erklärte er großmütig. »Ein Edelmann, der sich dem Kreuz unseres Erlösers verschworen hat, ist nicht länger irdischen Herrschern verantwortlich, sondern nur noch unserem Herrn und Gott allein.«
Beinahe sprachlos vor Zorn und Bestürzung und der unnachgiebigen Arroganz der Kreuzfahrer allmählich überdrüssig blickte Alexios von seinem Thron auf die aufsässigen Fürsten herab. Umgeben von seinem Drungarios tön poimön, zwei Beratern und einer Abteilung Warägern und ausgewählter Exkubiten bot der Kaiser der gesamten Christenheit auf seinem goldenen Thron einen imposanten Anblick. Dennoch gab sich Raimund vollkommen ungerührt.
»Sollen Wir das etwa so verstehen«, intonierte der Kaiser, »daß diese >Vollmacht< euch davon abhält, die Autorität des kaiserlichen Throns anzuerkennen?«
»In keinster Weise, mein Herr und Kaiser«, erwiderte Raimund in freundlichem Tonfall. »Ich erkenne Eure Autorität in allen Fragen an, mit einer Ausnahme: der Führung der
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