Der Sohn des Kreuzfahrers
hängt von dir ab«, antwortete Alexios. »Unterzeichne den Eid, und du wirst dich den anderen ohne weitere Verzögerung anschließen können. Verweigere dich deinem Kaiser, und du wirst warten. Denn ohne deine Unterschrift unter diesem Pergament« - er tippte mit dem Finger auf das Schriftstück - »wird man dir nicht gestatten, auch nur einen Schritt jenseits der Mauern dieser Stadt zu tun. Als Folge davon wird auch jede Autorität, die du jetzt vielleicht besitzt, einem anderen zufallen.«
Alexios entließ seine Gäste, die daraufhin sofort in ihr Lager zurückgebracht wurden, um über die Worte des Kaisers nachzudenken.
Nachdem sich die Türen des Salomonsaals wieder geschlossen hatten, trat der Oberbefehlshaber der Flotte an seinen Verwandten heran und fragte: »Glaubt Ihr, daß er unterzeichnen wird?«
»Wer weiß das schon?« antwortete der Kaiser. »Wir haben in unserer Zeit schon viele sture Menschen getroffen, Dalassenos, aber keinen hochmütigeren als Raimund von Toulouse. Er ist ein willensstarker Mann, der glaubt, Gott habe ihn auserkoren, diesen armseligen Heerhaufen zu Ruhm und Ehre zu führen. Er betrachtet es als hohe Ehre und wacht eifersüchtig über dieses vermeintliche Vorrecht.«
»Und nun fürchtet er, es zu verlieren«, sinnierte Dalassenos. »Das war sehr klug von Euch, Basileus.«
»Vielleicht«, stimmte ihm Alexios vorsichtig zu. »Wir werden sehen, was stärker ist: seine Furcht oder seine Eifersucht.«
cht Tage lang hielt Graf Raimund von Toulouse an seinem Entschluß fest und weigerte sich, seine Unterschrift unter den Eid zu setzen, den der Kaiser von ihm verlangte. Statt dessen schaute er zu, wie die großen Transportschiffe der kaiserlichen Flotte endlos die dunklen Wasser des Bosporus durchpflügten, um die Armeen Bohemunds und Tankreds auf die andere Seite nach Pelekanon überzusetzen. Gleichzeitig liefen ständig Handelsschiffe in den Hafen der Hauptstadt ein, die Getreide, Öl, Wein, Vieh und andere Nahrungsmittel für die Kreuzfahrer brachten. Vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein herrschte auf der engen Wasserstraße ein einziges Chaos. Bisweilen befanden sich so viele Schiffe und Boote auf dem Wasser, daß der Graf glaubte, ein Ritter hätte ohne Mühe über die Decks hinweg auf die andere Seite galoppieren können.
Tag für Tag strömten Tausende von Pilgern mit Pferden und Karren von den Hügeln zu den Anlegestellen am Goldenen Horn hinab. Die Pferde wurden stets als erste an Bord gebracht - eine mühselige Arbeit, welche die ohnehin schon langwierige Operation noch weiter verlangsamte -, und wenn die Tiere sicher untergebracht waren, nahm man die Karren und Wagen auseinander, um sie einfacher auf den Schiffen verstauen zu können, und zu guter Letzt verlud man die eigentliche Ausrüstung. Erst wenn auf einem Schiff kein Stauraum mehr vorhanden war, gestattete man Menschen, an Bord zu kommen - Ritter und Fußvolk zuerst, dann die anderen Pilger: Priester und andere Kirchenleute sowie die Frauen, Kinder und Diener der Kreuzfahrer.
Voll beladen konnte ein kaiserliches Transportschiff bis zu fünfzig Pferde, zwanzig Wagen und drei- bis vierhundert Menschen tragen. Der Kaiser hatte elf dieser großen Schiffe für die Operation bereitgestellt, und jedes dieser Schiffe konnte zweimal am Tag übersetzen. So kam es, daß die Zahl der Pilger am Ufer täglich kleiner wurde, während Graf Raimund und Bischof Adhemar tatenlos zuschauen mußten, und nach acht Tagen ging die Sonne schließlich über verlassenen Anlegestellen unter.
Am neunten Tag traf Robert, Herzog von der Normandie und Bruder des Wilhelm Rufas, des Königs von England, in Konstantinopel ein, in Begleitung seines Vetters, des Grafen Robert von Flandern, und seines Schwagers, des Grafen Stephan von Blois. Ihre vereinigte Streitmacht zählte mehr als vierzigtausend Mann, einschließlich einer kleinen Einheit, die von einem streitlustigen Kirchenmann geführt wurde, dem Bischof Odo von Bayeux.
Abgesehen von einigen Schwierigkeiten bei der Überquerung des adriatischen Meeres, die den unglücklichen Tod von vierhundert Mann zur Folge gehabt hatten, hatte sich die Reise nach Konstantinopel als ausgesprochen zufriedenstellender Beginn der Pilgerfahrt erwiesen, und die Neuankömmlinge waren begierig darauf, den Bosporus zu überqueren und dem gottlosen Feind entgegenzutreten. Wie die anderen vor ihnen, so wurden auch diese lateinischen Fürsten sofort zu einer Audienz vor den Kaiser befohlen. Anders jedoch als
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