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Der Sohn des Kreuzfahrers

Titel: Der Sohn des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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gingen. Die Seeleute waren erstaunt über die gekonnte Art, wie die Mönche das Essen bereiteten. Nachdem man das Schiff für die Nacht gesichert hatte, versammelte sich die ganze Mannschaft ums Lagerfeuer und verfolgte mit wachsender Bewunderung die erstaunliche Vorstellung der Kirchenmänner.
    Verschiedene Zutaten wurden aus unterschiedlichen Päckchen hervorgezaubert und von geschickten Händen in Topf, Pfanne und auf Bratspieße verteilt. Die drei Mönche arbeiteten ausgesprochen effektiv, sprachen selten miteinander und führten Messer und Löffel mit der atemberaubenden Geschicklichkeit eines Jahrmarktgauklers. Die wachsende Achtung der Zuschauer für das Können der Mönche wurde noch von dem hervorragenden Bier verstärkt, das die drei Kirchenmänner verteilten - »um den inneren Menschen wieder zu stärken«, wie Bruder Emlyn erklärte.
    Die Mönche bereiteten genug Speisen für hundert faßkranke Pilger zu: Erbspudding, frisches Gerstenbrot und in Milch gekochten Räucherfisch mit Butter und Zwiebeln. Über dem Feuer rösteten sie schmale Streifen Schweinefleisch, die sie von Zeit zu Zeit mit frischen Kräutern einrieben, und zu guter Letzt backten sie noch Äpfel in einem Sud aus Sahne und Honig.
    Es handelte sich um gewöhnliche Speisen, doch kunstvoll zubereitet, und nach einer Schüssel Erbspudding und zwei Scheiben Schweinefleisch entdeckte Murdo eine Seite des Klosterlebens, die ihm bislang verborgen gewesen war. Priester erschienen ihm noch immer als Fluch und Plage - hinterlistig wie Schlangen und ebenso giftig -, aber diese drei Mönche hier gehörten offenkundig einer Art von Kirchenmännern an, von der er noch nie etwas gehört hatte. Er fragte sich, ob sie wohl noch mehr ungewöhnliche Talente besaßen.
    Die Seeleute waren ebenfalls beeindruckt. Jon Reißzahn konnte sich nicht zurückhalten zu fragen: »Eßt ihr immer so gut in eurem Kloster?«
    »Wir befinden uns auf Pilgerfahrt«, antwortete Ronan fröhlich. »Das Fasten ist Pilgern verboten.«
    Als schließlich die letzte Schüssel saubergeleckt und der letzte Knochen weggeworfen worden war, stand der Mond hoch am Himmel, und die Sterne spiegelten sich auf dem glatten Wasser der kleinen Bucht. Fionn legte noch etwas Holz aufs Feuer; dann begannen die guten Brüder ein Streitgespräch über die Frage, ob die Seele eines Sünders schwerer sei als die eines Heiligen - schließlich habe erstere ja die Last ihrer Missetaten zu tragen. Es war ein gutwillig geführter Streit, und Murdo folgte den Reden der melodischen Stimmen, so gut er konnte, bis er, satt gegessen und zufrieden, derart müde wurde, daß er die Augen kaum noch aufhalten konnte. Er wickelte sich in seinen Umhang, und kurz darauf war er mit dem angenehmen Murmeln der Mönche im Ohr eingeschlafen und träumte von Ragna.
    Am nächsten Morgen wurde Murdo noch vor Sonnenaufgang geweckt, indem ihm jemand einen Becher kalten Wassers ins Gesicht schüttete. Prustend sprang Murdo auf und schwang die Fäuste. »Immer mit der Ruhe«, sagte Jon, »und ich dachte, du seist begierig darauf, aufzubrechen.«
    Murdo wischte sich das Wasser aus den Augen, und mit einem Knurren auf den Lippen gesellte er sich zu den anderen und half ihnen, die Wasserschläuche zu füllen. In der Zwischenzeit verstauten die gähnenden, sich kratzenden Mönche ihr Kochgeschirr, und kurze Zeit später gingen alle wieder an Bord, und die Seeleute ruderten das Schiff aufs offene Meer hinaus.
    Murdo machte es sich mittschiffs zwischen den Getreidesäcken bequem und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Mast. Er beobachtete, wie der Morgennebel über das Wasser wanderte und lauschte den Rufen der Vögel am Ufer. Anschließend mußte er wohl wieder eingeschlafen sein, denn das nächste, woran er sich erinnerte, war, daß er übers Deck rollte.
    Verschlafen rappelte sich Murdo auf, griff nach der Reling und blickte zu den wolkenverhangenen grünen Hügeln, die inzwischen weit entfernt waren. Vor ihm lag das weite, offene Meer. Plötzlich blähte ein kräftiger Windstoß das Segel, und der Bug schnitt durch die Wellen, als Jon Reißzahn das Steuer herumriß und das Schiff auf einen neuen Kurs in den Wind brachte.
    Eine plötzliche Erregung überkam Murdo. Irgendwo dort draußen waren sein Vater und seine Brüder, jenseits der grauen weiten See, und kämpften gegen die heimtückischen Sarazenen, und er, Mur-do, würde sie finden und wieder zurückbringen. Es würde geschehen; es mußte geschehen. Er würde dafür sorgen, daß es

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