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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Lippen. Merege hob die Hand, und sie erkannten, dass sie in einer geräumigen und völlig leeren Kammer standen. Die Wände waren glatt und kahl, nichts deutete darauf hin, dass
hier Menschen wohnten. Auf der gegenüberliegenden Seite der Kammer öffneten sich zwei weitere leere Türhöhlen.
    »Links oder rechts?«, fragte Merege.
    »Vielleicht sehen wir sie uns erst einmal aus der Nähe an«, schlug Curru vor. Die linke Kammer glich der, in der sie standen. Auch sie war völlig leer, und ein weiterer schwarzer Gang führte noch tiefer in den Berg hinein.
    »Hier spüre ich einen Luftzug«, meinte Eri vor dem rechten Durchlass.
    Merege zuckte mit den Achseln und trat hindurch.
    »Sollten wir nicht rufen?«, fragte Eri leise.
    »Nach wem?«, fragte Awin ebenso leise.
    Auch diese Kammer war völlig kahl. Zwei weitere finstere Durchgänge erwarteten sie auf der anderen Seite. Unschlüssig blieben sie davor stehen. Der Luftzug war kaum zu spüren. Sie einigten sich darauf, dass er aus der rechten Kammer kam. Diese war länger als die anderen und ebenso leer, doch fünf Türen führten von dort aus weiter in die Dunkelheit.
    »Er muss sich gut auskennen, wenn er seinen Weg hier ohne Fackel findet«, sagte Merege bedächtig und meinte den schwarzhaarigen Knaben.
    Ein leises, heiseres Grollen ließ sie den Atem anhalten.
    »Was war das?«, fragte Awin flüsternd.
    »Die Löwen«, antwortete Curru tonlos. »Sie scheinen in der Nähe der Pforte zu sein.«
    »Sie werden hier drinnen auch nichts sehen«, behauptete Eri.
    »Wenn sie nicht blind sind, können sie mein Licht sehr wohl sehen. Und sie können uns wittern«, erwiderte Merege ruhig.
    »Dann müssen wir aus dem Luftstrom heraus«, flüsterte Awin.
    Das heisere Grollen wiederholte sich. Ohne lange zu überlegen, nahmen sie den nächstbesten Durchgang. Es war keine
Kammer, sondern ein Gang, der bald zu einer Treppe führte. Sie folgten ihr hinab. Auf halber Strecke erlosch Mereges Licht. Sie hielten an und lauschten in die Dunkelheit. Es blieb ruhig. »In dieser Finsternis würden wir die Löwen eher riechen als sehen«, flüsterte Eri unruhig.
    »Sie uns auch«, antwortete Curru trocken.
    » Nawias gaida «, hauchte Merege. Wieder entstand in ihrer hohlen Hand ein zitternder Funke, der stärker wurde und die Dunkelheit vertrieb. Raschelnd fiel ein vertrocknetes Stück Schilf zu Boden.
    »Warum gibt es hier kein Licht?«, fragte Awin. »Dieser Junge, er kann doch wohl nicht im Dunkeln sehen, oder?«
    »Wir haben doch Licht«, brummte Curru.
    Awin biss sich auf die Lippen. Sah der Alte nicht, dass Merege nicht hunderte, sondern nur eine Handvoll Schilfhalme hatte? Die würden nicht ewig reichen, und dann? Es konnte ein sehr langer Rückweg werden. Ein heiseres Grollen erinnerte ihn daran, dass ihnen der Rückweg wenigstens für den Augenblick versperrt war und dass das Licht vielleicht ihre kleinere Sorge war. Sie eilten weiter die Treppe hinab, bis sie auf eine schwere hölzerne Tür stießen. Sie wirkte alt, uralt, und sie war ohne Schloss und Riegel.
    »Seltsam, diese Pforte«, meinte Curru nachdenklich. »Warum hier, warum nicht am Eingang?«
    »Hauptsache, sie ist nicht verriegelt«, erwiderte Eri und öffnete sie kurzerhand.
    Stille erwartete sie. Und Licht. Gedämpftes, schwefelgelbes Licht sickerte aus den Wänden, von der Decke und stieg sogar aus dem Boden auf. Es war der Stein selbst, der leuchtete. Er war gelb, nicht rot, wie es die Felsen des Glutrückens sonst waren. Sie standen in einer weiten Halle, die aber so flach war, dass Awin das Gefühl hatte, er müsse den Kopf einziehen. Awin verstand
nicht viel von Häusern, aber er hatte den Eindruck, dass es hier Säulen geben müsste, um die Decke zu stützen. Der Raum hatte etwas Erdrückendes. Es gab allerdings ein Geräusch, doch es war so leise, dass es das Gefühl der Stille noch verstärkte: das Rieseln von Sand. Es schien von überallher zu kommen. Sie entdeckten viele Aus- und Eingänge, jedoch keinen zweiten mit Tür. Unschlüssig blieben sie stehen. Plötzlich erklangen aus einem dieser Gänge schwere Schritte. Jemand schien eine Treppe emporzusteigen. Sie lauschten. Die Schritte kamen näher.
    Curru räusperte sich, dann rief er mit lauter Stimme: »Wer kommt dort? Hier stehen Yaman Eri von den Hakul und sein Sger. Wir entbieten euch unseren Gruß.«
    » Gruß «, flüsterte die Wand. Awin sträubten sich die Nackenhaare. War das ein Echo? Merege warf ihm einen fragenden Blick zu. Also hatte sie es

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