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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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entscheiden, was wir tun sollen, und nicht immer wird ein Seher Rat für dich wissen. Besser, du gewöhnst dich daran.«
    Awin wunderte sich, dass er den Knaben so anfuhr, aber dann wurde ihm klar, dass Curru beleidigt war, weil Eri nicht den alten, sondern den jungen Seher gefragt hatte.
    Eri erhob sich, starrte die Wand an, dann die Felsen, hinter denen die Löwen verschwunden waren. »Dann schlage ich vor, dass wir den Jungen suchen gehen. Sicher wohnen noch mehr Menschen aus seinem Volk hinter dieser Pforte.«
    Sicher? Sicher ist hier gar nichts, dachte Awin. Die Pforte in der Felswand wirkte nicht sehr einladend, und er dachte an das seltsame Verhalten der Löwen. Dafür musste es einen Grund geben.
    »Seid ihr sicher, dass ihr diese Menschen finden wollt?«, fragte er. »Die Löwen scheinen sie zu fürchten.«
    »Die meisten Tiere fürchten den Menschen«, gab Curru zurück.
    »Du kannst gerne bleiben, wenn du willst, Awin«, meinte Eri herablassend, »wir haben jedenfalls keine Angst vor Kindern.«
    Awin unterdrückte eine scharfe Antwort. Es ging hier nicht um eine unbestimmte Furcht, ganz im Gegenteil, er spürte mit Gewissheit, dass hinter dieser schwarzen Pforte Gefahr auf sie wartete. Oder redete er sich das nur ein? Menschen bedeuteten
doch Nahrung, Wasser, vielleicht sogar Pferde. Und natürlich konnten sie auch schlecht bleiben, wo sie waren. Die Raubkatzen würden irgendwann zurückkommen. Und Awin, der erkannte, dass er nun zwischen einer bekannten und einer unbekannten Gefahr zu wählen hatte, entschied sich für die unbekannte. Als sie den Teich verließen, schnitt Merege ein Bündel grüner Schilfhalme am Ufer und nahm sie mit, aber sie verriet nicht, was sie damit vorhatte.
    Über der steinernen Pforte prangte ein gemalter Löwenkopf. Er war alt, und die Farben waren verblasst, aber Awin fand, dass er wie eine Warnung aussah. Es gab dort keine Tür, nur ein rechteckiges schwarzes Loch im Fels. Es war eindeutig von Menschenhand geschaffen, aber sie würden die Köpfe einziehen müssen, um hindurchzugehen. Sie hatten gehofft, einen Lichtschimmer oder etwas in der Art auf der anderen Seite zu sehen, aber es gab nur Finsternis. Ein beständiger Windhauch wehte dort heraus, und es klang wie ein schwacher Seufzer.
    »Ich glaube, da ruft uns jemand«, meinte Eri unsicher.
    »Das ist nur Skefer, der hier um die Ecken heult«, erwiderte Curru grimmig.
    Awin fragte sich, seit wann denn der Wind aus einem Felsen heraus kam.
    Dann rief Eri: »Skefer, das ist es! Der alte Mann, der die Reisenden in der Wüste in die Irre führt. Vielleicht ist dieser Junge ja Skefer …«
    Curru schüttelte den Kopf. »Sieht das hier aus wie eine Wüste?«
    Der Yamanssohn verstummte, aber jetzt war Awin verunsichert. »Es ist etwas Unheimliches an dieser Pforte. Vielleicht sollten wir besser nicht hineingehen.«
    Eri grinste plötzlich breit. »Mut war nie deine starke Seite,
Awin«, sagte er, zog den Kopf ein und schlüpfte hinein. Einen Augenblick lang blieb es ruhig, dann rief er: »Ich kann hier keine Fackeln finden.«
    Merege schob Awin sanft zur Seite, bückte sich und tat es Eri gleich. Curru schüttelte wieder den Kopf, brummte etwas vom Leichtsinn der Jugend und folgte ihr hinkend. Awin drehte sich noch einmal um. Der Talkessel lag still und verlassen. Dennoch wurde er das Gefühl der Bedrohung nicht los. Kam es von der Wasserstelle - oder doch vom Inneren des Berges? Er folgte den anderen.
    »Ah, hier ist es hoch genug, um zu stehen«, meinte Curru.
    Nach den Stunden im gleißenden Sonnenlicht sah Awin erst einmal gar nichts. Er tastete um sich und fühlte eine nackte Wand.
    » Nawias gaida «, flüsterte Mereges helle Stimme. Ein blassweißer Funke glomm in der Dunkelheit auf. Zunächst beleuchtete er nur Mereges Handfläche, dann wurde er stärker und drängte die Dunkelheit zurück.
    »Wie hast du …?«, fragte Eri.
    »Ich wusste, sie ist eine Hexe«, brummte Curru. Schatten tanzten in seinem hageren Gesicht, und in seiner Stimme schwangen sowohl Abscheu wie auch Bewunderung mit.
    »Sei froh, dass ich weit davon entfernt bin, das zu sein, was du glaubst, alter Mann«, entgegnete Merege. Der Funke schwebte jetzt reglos über ihrer ausgestreckten Hand.
    »Das wird nicht ewig vorhalten«, erklärte sie ruhig und ließ etwas fallen. Awin sah, dass es einer der Schilfstängel war. Er war völlig verdorrt, so als sei er schon vor Wochen und nicht erst vor wenigen Augenblicken abgeschnitten worden. Er biss sich auf die

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