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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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aus und betrachtete die neuen Wellen. Er schien völlig gefangen von diesem Spiel und beachtete die beiden Löwen nicht, die sich am anderen Ufer des Teiches duckten. Es waren zwei junge Männchen. Sie würden nicht mehr als zwei Sprünge brauchen, um den Jungen zu erreichen. Awin sah ihre Schwänze durch die Luft peitschen. Sie waren unruhig und ließen den Knaben nicht aus den Augen. Eri griff nach seinem Dolch. Awin legte ihm die Hand auf die Schulter und schüttelte
den Kopf. Jede unbedachte Bewegung konnte hier etwas Verhängnisvolles auslösen. Die beiden Raubkatzen blieben geduckt auf der anderen Seite des Teiches, sahen zu, wie der Junge Wasser schöpfte, den Krug langsam ausleerte und wieder füllte. Er lächelte. Dann stellte er den Tonkrug unvermittelt zur Seite, sprang auf, wandte sich ab und lief davon. Die Löwen fauchten. Der Knabe drehte sich nicht um.
    Verblüfft blickten ihm die vier Beobachter hinterher. Er lief auf die Felswand zu. Gab es dort einen Eingang? Der Schlagschatten machte es schwer, Genaueres zu erkennen. Dann verschwand der Junge in der Wand. Einer der Löwen brüllte, und Awin fragte sich, ob es vor Enttäuschung war, weil ihnen die leichte Beute entgangen war. Eine Weile starrten die Löwen dem verschwundenen Jungen noch hinterher, dann schlichen sie vorsichtig zum Teich und begannen zu saufen. Awin dankte Skefer, dass er aus der richtigen Richtung wehte, denn die beiden Raubkatzen bemerkten sie nicht. Sie stillten ihren Durst, unruhig und immer wieder in die Schatten spähend. Dann jagten sie plötzlich davon. Sie erkletterten einen Felsen, sprangen mit weiten Sätzen auf den nächsten und entzogen sich schließlich jenseits einer Kante ihren Blicken. Awin und die anderen blieben sitzen. Jeder von ihnen wurde vom Durst gequält, aber sie alle spürten, dass hier etwas nicht stimmte.
    »Er hat sie nicht einmal beachtet«, murmelte Curru.
    »Warum haben sie ihn nicht angegriffen?«, flüsterte Eri.
    »Es sah nicht so aus, als ob er Angst vor ihnen gehabt hätte«, meinte Merege stirnrunzelnd.
    Awin nickte. Jetzt endlich verstand er, was ihn an diesem Bild so gestört hatte: »Eigentlich«, sagte er langsam, »sah es doch vielmehr so aus, als ob die Löwen Angst vor ihm gehabt hätten.«
    »Löwen? Vor diesem Kind?«, fragte Eri zweifelnd.
    »Es war seltsam«, gab Curru zögernd zu.

    Und Merege sagte: »Awin hat Recht. Sie haben nicht gewagt zu trinken, solange er am Wasser war. Und sie hatten es eilig, von hier zu verschwinden.«
    »Aber sie sind fort, oder?«, fragte Eri. »Denn ich komme um vor Durst und werde keine Sekunde mehr hier warten.«
     
    Nachdem sie ihren Durst gestillt hatten, saßen sie am Ufer und wuschen sich Staub und Blut ab. Awin fragte sich, wie dieses Wasserloch entstanden war. Es regnete nie über der Slahan, und er bezweifelte, dass es im Glutrücken so etwas wie eine Schneeschmelze gab. Vielleicht gab es hier eine Quelle, die den Teich speiste. Curru kühlte seine Wunde. Er schöpfte Wasser mit der hohlen Hand. Keiner von ihnen wagte es, den leeren Krug zu berühren, auch wenn er nur wie ein ganz gewöhnliches Tongefäß aussah. Awin musterte die steile Wand mit den Bildern. Menschen und Tiere waren dargestellt, dazwischen hohe Bäume. Das alles war grob gearbeitet und erweckte nicht den Anschein besonderer Kunstfertigkeit.
    »Kennst du diese Bilder, Merege?«, fragte Awin.
    Merege betrachtete sie stumm. »Nein, so etwas habe ich noch nie gesehen. Ahnmutter Senis könnte vielleicht damit etwas anfangen, denn sie hat in ihrem Leben viel gesehen.«
    Das hat sie bestimmt, dachte Awin. Er hätte sie gerne um Rat gefragt, doch war sie nicht hier, und solange er wach war, würde er sie auch nicht treffen. Er seufzte. Leider war auch nicht gesagt, dass er sie im Schlaf treffen würde - außerdem war es erst Mittag. Er schüttelte den Kopf über diese seltsamen Gedanken.
    »Der Junge ist dort in der Wand verschwunden«, meinte Eri nachdenklich.
    Inzwischen hatten sich Awins Augen an die harten Schatten gewöhnt. Er sah dort ein Loch im Fels. Eine schwarze Pforte.

    »Wir könnten ihn rufen«, schlug der Yamanssohn unsicher vor.
    »Und die Löwen gleich mit?«, fragte Curru brummend.
    »Hast du denn nicht noch etwas gesehen, etwas, das uns sagt, was hier zu tun ist, Awin?«, fragte Eri nach einer Weile.
    Awin schüttelte stumm den Kopf.
    »Es ist eine seltsame Frage für einen Yaman, Eri«, schimpfte Curru plötzlich. »Du bist der Führer unseres Sgers, du musst

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