Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
verschieben können, aber Curru war stur. Ihn kümmerte nicht, dass Ech, der zweite Sohn des Klanoberhaupts, gestern zurückgekehrt war und dass die Männer dieses Ereignis ausgiebig mit dem letzten Fass Brotbier gefeiert hatten. Das Fest war bescheiden gewesen im Vergleich zur großen Hochzeit vor einem Jahr, aber es hatte sich dennoch fast bis zur Dämmerung hingezogen. Da war es doch kein Wunder, dass er sich elend fühlte, seit der Morgen viel zu
früh angebrochen war. Aber unter der Müdigkeit lauerte noch etwas anderes. Es lag ihm schon den ganzen Morgen auf dem Gemüt, schwer wie Blei, ein tief sitzendes Unbehagen, für das er keine Erklärung hatte.
    Mehr als zwei Stunden Schlaf hatte Awin nicht bekommen, Curru eher noch weniger, und dennoch saß er so gerade auf seinem Ross wie ein Herrscher auf dem Thron. Awin riss sich zusammen. Curru hatte darauf bestanden, dass sie ausgerechnet heute seine Fähigkeiten auf die Probe stellten. Wieder einmal. Awin beugte sich zur Erde hinab. Die Gazellen hätten den Wölfen leicht entkommen müssen, aber sie waren es nicht. Im staubigen Boden waren kleinere Hufabdrücke. Deshalb hatten die Wölfe die Jagd fortgesetzt, obwohl die Gazellen sie frühzeitig gewittert hatten. Awin sah sich um. Das Land zog sich in sanften Wellen dahin. Hier und da ragte ein dürrer Busch oder eine verkümmerte Birke aus dem Boden. Je weiter die niedrigen Hügel entfernt waren, desto grüner und saftiger sahen sie aus. Aber das war eine Täuschung. Es war Sommer, das Gras war vertrocknet, und Srorlendh, das Staubland, machte seinem Namen alle Ehre. Awin suchte den Horizont ab, bis er fand, was er erwartete: Zwei schwarze Punkte kreisten am Himmel.
    Er räusperte sich. Seine Stimme klang belegt, als er die Frage schließlich beantwortete: »Die Wölfe haben die Jagd nicht aufgegeben, weil Jungtiere unter den Gazellen waren, Meister Curru. Dort hinten kreisen zwei Geier, also haben die Wölfe bekommen, was sie wollten.« Er fragte sich, wieso es nur zwei waren. Lag vielleicht noch irgendwo anderes Aas?
    Curru schüttelte den Kopf. »Mewe sagt, du könntest ein guter Jäger werden, wenn du nicht so ein hoffnungslos schlechter Bogenschütze wärst, Awin, aber ich bin nicht Mewe der Jäger, junger Freund.«
    Sah der Alte nicht, wie müde er war? Doch, natürlich sah er
das - vermutlich machte es ihm Spaß, ihm in dieser Hitze so zuzusetzen und ihm noch einmal unter die Nase zu reiben, in welchen anderen Feldern er ebenfalls ein Versager war. Awin unterdrückte ein Seufzen und versuchte, sich an den passenden Seherspruch zu erinnern. Curru waren diese Sprüche heilig, und er hatte viel Mühe darauf verwendet, sie ihm beizubringen. Vielleicht hätte Awin sie sich besser merken können, wenn er an sie geglaubt hätte. Er sah sich die Fährten der Wölfe noch einmal an. Sie kreuzten sich - das war kein Wunder, sie waren sich ihrer Beute sicher gewesen. Kreuzende Fährten. Awin sagte: »Wenn die Fährten der Wolfsbrüder sich kreuzen, erwarte die Veränderung schon bald.«
    Curru schüttelte den Kopf. »Du hast nicht aufgepasst, Awin. Hast du nicht gesehen, dass einer der Jäger schwarz ist?«
    Awin starrte verblüfft auf die Fährten. Wie sollte er an einem Abdruck im Staub sehen, welche Farbe das Tier hatte? Curru wies nach hinten. Die Schwarzen Berge ragten dort steil aus der Ebene auf, scheinbar zum Greifen nahe, aber in Wirklichkeit doch etliche Stunden entfernt. Aber das meinte Curru nicht, er deutete auf einige Dornbüsche unter dem Hügelkamm. Natürlich, die Wölfe waren an dieser Stelle vorbeigekommen, und sicher hatte einer der ihren dort etwas Fell gelassen. Wäre er nicht so schrecklich müde gewesen, hätte er das sicher ebenso bemerkt wie sein Meister, der seinen Sieg sichtlich genoss.
    »Nun?«, fragte Curru ungeduldig.
    Awin verkrampfte sich, wie immer, wenn sein Ziehvater ihn unter Druck setzte. Er hatte dann immer das Gefühl, dass sein Kopf das Denken einstellte. Er versuchte, sich zu sammeln. Schwarzer Wolf? Fast immer eine ernste Warnung. Aber in Verbindung mit kreuzender Fährte? »Ein Unglück«, stieß Awin schließlich hervor, um überhaupt etwas zu sagen, und er konnte nicht verhindern, dass es wie auf gut Glück geraten klang. Es
gab wenigstens zwei Dutzend Sehersprüche, die den Schwarzen Wolf zum Inhalt hatten.
    Curru schüttelte wieder missbilligend den Kopf. »Siehst du es wirklich nicht? Der Schwarze Wolf und der kreisende Geier?«
    »Erschütterung«, rief Awin. Jetzt war

Weitere Kostenlose Bücher