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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ihn hier auf den Felsen legen, von tapferen Männern gut bewacht, und hoffen, dass die kurzen Tage genug Sonne bringen, den Stein zu stärken«, sagte Uredh. Der Yaman hatte den Stein ebenso ergriffen angestarrt wie die übrige Versammlung. Awin konnte das Begehren in seinen Augen sehen.
    »Dieser Stein ist uns anvertraut, dem Klan der Schwarzen Berge«, entgegnete Curru scharf, »und du hast nicht darüber zu befinden, was damit zu geschehen hat.«
    »Klan? Ich sehe hier weniger Männer des Bergklans als Finger an meiner Hand, Seher. Ja, ihr habt doch noch nicht einmal einen Yaman. Mit welchem Recht maßt ihr euch also die Führung in dieser Frage an?«
    »Wir haben einen Yaman!«, rief die helle Stimme Gregils. »Ich bin die Witwe Yaman Aryaks, und dort steht unser Sohn Eri, der einzige, der mir geblieben ist, von meinen drei strahlenden Söhnen. Er ist zu unserer Führung berufen, und beim nächsten Sonnenaufgang werden wir ihn auf den Schild heben.« Und bei diesen Worten schob sie Eri nach vorn.
    Erneut lief ein Raunen durch die Menge.
    »Dieser Knabe soll über das Schicksal von Etys’ Stein bestimmen?«, rief Uredh aufgebracht.
    »So will es Tengwil!«, erwiderte Curru laut.
    Plötzlich trat Yaman Brediak nach vorn. Er hatte noch kein einziges Wort gesprochen, aber nun sagte er: »Er mag Yaman werden, doch spreche ich ihm, wie auch eurem Klan, das Recht ab, den Heolin zu behalten. Er war euch lange anvertraut, doch habt ihr ihn euch stehlen lassen. Nein, bei euch ist er nicht sicher.«
    »Wir werden ihn dir nicht geben, Yaman Brediak«, rief Eri aus der Menge.

    »Und wie willst du das verhindern, Yaman ohne Klan?«, rief Uredh. Seine Hand lag auf dem Dolch in seinem Gürtel.
    Awin kannte Eri gut genug, um zu wissen, dass auch er längst zur Waffe gegriffen, sie vielleicht schon gezogen hatte. Plötzlich hörte er sich selbst rufen: »Der Heolin wird es nicht zulassen!«
    Eben noch hatte es nach einem Kampf ausgesehen - plötzlich herrschte Totenstille. Awin sandte unauffällig einen flehenden Blick zu Merege. Und zu seiner Erleichterung nickte sie ihm zu. Verstand sie wirklich, worum er sie bat?
    Brediak sah ihn unsicher an. »Warum sollte der Heolin weniger gern in meiner als in deiner Hand liegen, Knabe?«
    »Ich bin kein Knabe mehr, Brediak, ich bin ein Seher. Und ich sage dir, du könntest ihn nicht halten, er würde dich verbrennen.«
    Brediak sah ihn lauernd an, dann lachte er und streckte die Hand aus. »Das lässt sich herausfinden. Gib ihn mir!«
    »Gib ihn nicht aus der Hand, Awin!«, rief Eri. Er versuchte, auf den Fels zu klettern, aber plötzlich wurde er von drei Männern gepackt und festgehalten. Einer fiel ihm in den Arm, und das Messer wurde ihm aus der Hand gewunden. Hinter ihm stöhnte Curru auf. Awin fuhr herum. Sein ehemaliger Meister hatte das Messer Uredhs an der Kehle.
    »Gib ihn mir!«, forderte Brediak erneut mit scharfer Stimme.
    Awin hielt das Lederbündel mit dem Stein noch in der Hand. Er reichte es gleichmütig dem Yaman und unterdrückte das Verlangen, nach Merege Ausschau zu halten.
    »Awin, nein!«, rief Tuge aus der Versammlung. Die Menge war in Aufruhr. Der Bogner versuchte offenbar, sich nach vorn zu drängen. Mabak war an seiner Seite. Er musste mit Harmin gekommen sein. Die beiden wurden beschimpft und bedrängt, schlugen um sich und wurden selbst geschlagen.

    »Ruhe!«, donnerte Brediak. Er starrte lange auf Awins Hand. Dann griff er schnell zu und nahm das Leder an sich. »Seht ihr«, jubelte er. »Ich habe ihn!«
    »Dann nimm ihn aus seiner Hülle und halte ihn hoch«, forderte Awin ruhig.
    Brediak zögerte, dann schlug er kurz entschlossen das Leder zur Seite und griff mit einem Lachen nach dem Stein. Er reckte ihn in die Höhe und rief: »Der Klan der Schwarzen Berge sollte besser Klan der Schwarzen Lügen heißen, denn seht, ich …« Der Yaman stockte. Ein Ächzen entrang sich seiner Brust, sein Arm zitterte, seine Linke fuhr zur Kehle, als würde er ersticken. Der Stein lag unverändert in seiner Hand, kein Licht war in ihm zu sehen, aber der Yaman bebte am ganzen Leib. Er rang nach Luft, keuchte, seine Augen traten aus den Höhlen. Schnell nahm ihm Awin den Stein aus den Fingern. Kaum hatte der Heolin die Hand des Yamans verlassen, löste sich seine Verkrampfung, und er brach hustend zu Awins Füßen zusammen. Entsetzensschreie erklangen aus der Menge.
    »Ihr seht, der Heolin kann nicht von unberufenen Händen berührt werden!«, rief Awin laut. Die Menge wich

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