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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Awin, wir müssen sie täuschen, um sie von der Wahrheit zu überzeugen . Eine Menge Hakul hatten Isgi schreien hören, einige hatten seine Hand brennen sehen, genug, um bald das ganze Lager wissen zu lassen, dass die Flamme, die einst Etys die Hand verbrannt hatte, noch lebendig war. Etwas später kam ein Yaman zu ihnen. Es war der Graubart, der sie an Horkets Zelt empfangen hatte. Er beäugte Awin und vor allem seinen Stab misstrauisch, und er verhaspelte sich mehrfach, als er den Führern der sieben Klans den Eid vorsprach. Auch Eri schwor bei Mareket und Edhil, stellvertretend für alle Männer seines Klans, seine Hand nicht gegen einen anderen Hakul zu erheben, solange die Versammlung dauerte, und den Frieden, den Heredhan Horket verkündet hatte, zu achten, und Awin fragte sich, wie er Horket stürzen wollte, wenn nicht mit Gewalt, also einem Verstoß gegen den Eid, den er gerade leistete. Als sie nun endlich das Recht erworben hatten, den heiligen Kreis zu betreten, erfuhren sie als Nächstes, dass Heredhan Horket eine Unterbrechung verfügt hatte. Er wollte die Versammlung jedoch später am Abend wieder einberufen. Dann erschien ein Bote und fragte an, ob Kluwe bereit sei, den Heredhan mit einem Besuch zu ehren, aber er zog unverrichteter Dinge wieder ab. Er war nicht einmal ins Zelt des Sehers eingelassen worden. Der große Kluwe weigerte sich, mit dem Heredhan zu sprechen? Auch das sprach sich bald im Lager herum.
     
    Awin zog sich in die Dunkelheit abseits der Lagerfeuer zurück. Er verhüllte den Lichtstein und begab sich auf die Suche nach Merege. Er stieg hinauf zu dem Garam, an dem er sie am frühen Abend gesehen hatte. Im Windschatten des Steinkegels brannte ein Wachfeuer, an dem sich zwei Krieger die Hände wärmten. Sie sahen ihn kommen, kamen wohl zu dem Schluss,
dass er keine Gefahr darstellte, und wandten sich wieder der Glut und ihren eigenen Gedanken zu. Awin fand die Kariwa auf der Windseite des Garams, wo sie auf der kalten Erde saß und etwas betrachtete, das vor ihr auf dem Boden lag. Nur schwach schimmerte der Feuerschein herüber, und Awin brauchte eine Weile, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen.
    »Sie hat ihr Leben für dich gegeben, Awin«, sagte Merege leise, noch bevor er sie begrüßen konnte. Awin erkannte zwei dunkle Flügel.
    »Eine Krähe?«
    »Sie brachte die Flamme zu Isgis Hand.«
    Awin drehte sich um. Es waren gut und gern sechzig Schritt bis zu ihrem Lagerfeuer, vielleicht mehr. »Deine Kraft ist erstaunlich.«
    »Verstehst du es nicht?«, unterbrach sie ihn schroff. »Es ist nicht meine Kraft. Ich habe sie geraubt.«
    Er spürte ihre Gereiztheit und fürchtete, er könne wieder etwas Falsches sagen, wie es ihm in letzter Zeit oft geschehen war. Deshalb sagte er nur schlicht: »Danke.«
    Sie strich stumm mit der Hand über das Gefieder des Vogels.
    »Tut die Krähe dir leid, Merege?«, fragte Awin nach einer Weile des Schweigens.
    Merege hielt inne. Schließlich sagte sie: »Es ist mir viel leichter gefallen, dieses Leben zu nehmen, leichter als noch am Sichelsee.«
    »Ich verstehe, du sagtest, dass es unangenehm ist.«
    Merege legte den Kopf schief. Ihr Gesicht lag im Schatten. »Nein, das sagte ich nicht. Dennoch bitte ich dich, jetzt zu gehen, Awin. Ich muss meine Ahnen fragen, was ich davon halten soll.«
    »Wovon?«, fragte Awin verwirrt, aber sie antwortete nicht.
Etwa zur dritten Abendstunde riefen Jagdhörner den Dhanegedh wieder zusammen. Awin nahm den Stab mit, aber er ließ ihn bedeckt. Es schwirrten so viele Gerüchte über die Kraft des Heolins herum, dass es ihm einfach zu gefährlich schien, ihn unverhüllt mitten durchs Lager zu tragen. Erst im Rat würde er den Lichtstein zeigen. Er konnte es jetzt kaum noch erwarten. Endlich würde er dem Heredhan gegenübertreten, dem Mann, der den Klan seiner Geburt ebenso wie seinen neuen Klan ins Unglück gestürzt hatte. Wie eine schwarze Wolke hatte der Name Horket seit Tagen auf ihm gelastet, nun würde er alle Wolken zerreißen und seinen Feind zwingen, ihm zu helfen. Das war besser, viel besser als ein Sieg in der Schlacht - wenn es denn gelang. Ihm wäre wohler gewesen, wenn er Merege bei sich gehabt hätte, aber die Fremde durfte den Steinkreis nicht betreten, das hatte der Yaman, der ihnen die Eide abnahm, ausdrücklich betont. Noch so eine Regel, die Awin mit Stirnrunzeln zur Kenntnis genommen hatte, denn er wusste ja, wie Horket auf seinen Schild gekommen war. Die Stimmung im Lager war gereizt, das

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