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Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger

Titel: Der Sohn des Sehers 02 - Lichtträger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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war fast mit Händen zu greifen. Und dass der Heredhan verboten hatte, in der Versammlung Waffen zu tragen, machte es nicht besser. Awin legte seinen Blutdolch ins Zelt. Er wollte ihn eigentlich Wela anvertrauen, doch die erklärte, dass sie sich dieses Schauspiel auf keinen Fall entgehen lassen wolle. Es wurde schwer genug, sie davon zu überzeugen, dass sie nicht an der Seite der Seher, Yamane und Schmiede anderer Klans Platz nehmen sollte.
    »Bin ich eure Schmiedin, oder bin ich es nicht?«, fauchte sie.
    »Du bist es, Wela«, erklärte Eri, »und ich bin dein Yaman und sage, du wirst dort nicht neben mir sitzen. Sie werden uns auch so schon genug hassen. Wir müssen nicht noch mehr Öl in Horkets Feuer gießen, indem wir den Sippen zeigen, wie wenig wir die alten Gebräuche achten.«

    »Also bestimmt jetzt schon Horket, wer von uns an deiner Seite sitzt, Yaman Eri?«, fragte Wela wütend.
    Eri antwortete mit einem schlichten Lächeln, und Wela fügte sich widerwillig. Als sie neben Awin durch den Schlamm stapfte, fragte er sich, ob sie sich an Eris Verbot halten würde. Sie war unberechenbar, wenn sie wütend war. Eine große Schar von Würdenträgern strebte mit ihnen zum heiligen Kreis, und noch viel größer war die Zahl der Krieger, die zwar im Rat nicht sprechen durften, aber zuhören wollten. Wereks Krieger trugen Kluwe in seinem Stuhl zum Dhanegedh, und die anderen Hakul versuchten, ihm Platz zu lassen, was fast aussichtslos war. Der heilige Kreis war nach allen Seiten offen, aber auf der Südseite standen zwei schlanke, mit reichen Schnitzereien verzierte Holzstelen dicht beieinander, eine für Mareket und eine für Edhil, und es sollte Glück bringen, den Platz erst zu betreten, wenn man beide Säulen berührt und den Segen der Götter erfleht hatte.
    Awin drängte sich mit den anderen Hakul heran. Es wäre leichter gewesen, wenn jemand für Ordnung gesorgt hätte, aber so war gerade zwischen den beiden heiligen Stelen das Gedränge am größten. Als auch Awin den Segen beider Götter erbeten hatte, betrat er den Platz und erkannte, dass es auch hier so etwas wie eine Ordnung nicht gab. Die Menge verteilte sich, und jede Sippe suchte sich ihren Platz, wo es ihr gefiel. Unweit der beiden Holzstelen, am Rand des Kreises, ruhte ein mächtiger Steinblock, über den schwarze Wolfsfelle gebreitet waren. Zahlreiche Sgerlanzen umstanden diesen Sitz, und es war unschwer zu erraten, wer dort gleich Platz nehmen würde. Das heilige Innerste war durch einen Kreis faustgroßer Steine gekennzeichnet. Nur die Würdenträger einer Sippe, der Yaman, der Seher und der Schmied, hatten das Recht, diese Linie zu überschreiten. Die anderen Hakul drängten sich außerhalb.
Zur Mitte hin fiel der Platz leicht ab, und Wasser hatte sich dort in schlammigen Pfützen gesammelt.
    »Bei den Hütern! Was ist das?«, fluchte Curru, als sie den Kreis betraten.
    »Was meinst du?«, fragte Eri.
    »Die Steine. Er hat die Sitzsteine entfernen lassen! Was denkt er sich - dass wir ihm leichter folgen, wenn wir müde sind vom Stehen? Dieser Heredhan verletzt unsere ältesten Vorrechte!«
    Awin erkannte kleine Vertiefungen, wo vor kurzem noch die erwähnten Steine gelegen haben mussten. Natürlich war es eine Beleidigung, die Yamane und Seher stehen zu lassen, aber insgeheim hielt Awin das für einen guten Einfall. Auch er war der Meinung, dass diese Versammlung nicht länger dauern sollte als unbedingt nötig. Nur der alte Kluwe, den sie in seinem Sessel herangetragen hatten, saß. Es war schwer zu unterscheiden, ob er wach war oder schlief. Curru suchte ihnen einen Platz nahe der schief stehenden Steinsäule, fast genau gegenüber dem Sitz des Heredhans. Awin fand einleuchtend, dass hier niemand sonst stehen wollte, denn die Schiefe Schwester neigte sich genau in ihre Richtung. Tuge hatte zwar behauptet, dass es schon immer so gewesen war, dennoch war es ein beunruhigendes Gefühl, diesen verwitterten Stein über sich zu wissen. Jetzt hörte Awin, wie Tuge Mabak zurief: »Siehst du dort oben in doppelter Mannshöhe die Kerbe, die sich rund um die ganze Säule zieht? Dort hat Mareket einst sein Ross Aiga angebunden.«
    Allmählich fanden die Hakul ihre Plätze, nur Horket und Isgi fehlten noch. Awin wandte sich an einen Hakul, der neben ihm stand. »Sag, Freund, was hat der Rat bisher beschlossen?«
    Der Hakul sah ihn an, als habe er etwas außerordentlich Dummes gefragt, und entgegnete: »Beschlossen? Noch gar
nichts. Viele Klagen wurden

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