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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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redete Unsinn. Er beantwortete die Frage der Frau mit einem gestotterten »Ja«.
    »Du bist eine Schwätzerin, Schwester«, spottete der Knabe. »Warum erzählst du ihm das?«
    »Glaubst du, er weiß es nachher noch?«, fragte die junge Frau mit einem Lächeln, das das Herz des alten Kriegers schneller schlagen ließ. Ihre Nähe war so betörend .
    »Wir wissen bereits, was wir wissen wollen, und dieses Tor ist kein Hindernis«, brummte der Hüne.
    »Immer denkst du an Gewalt, Bruder«, rief die Frau heiter. »Ich bin sicher, Baldim wird uns mit Freuden einlassen, nicht wahr?«
    Baldim nickte, hinkte zum Tor und stieß es auf. Der missmutige Alte huschte als Erster über die Schwelle. Noch immer hatte er kein Wort gesagt. Der Hüne bedachte den Wächter mit einem Blick zwischen Verachtung und Mitleid und folgte dem Älteren.
    Der Knabe blieb auf der Schwelle stehen und betrachtete Baldim, wie ein Jäger ein Kaninchen betrachtet, das er gefangen hat.

    »Siehst du. Es geht ohne Gewalt«, sagte die junge Frau. Der Wächter wünschte sich, sie würde endlich aufhören zu lächeln.
    »Sie sind so schwach. Wir sind Narren, dass wir unsere Hoffnungen in sie setzten«, sagte der Knabe leise.
    »Ich weiß. Aber wir haben nichts Besseres, liebster Bruder«, sagte die Frau und zog einen Schmollmund. »Lässt du ihn jetzt vergessen?«
    »Gut, da mein Bruder es nicht für nötig hielt, ihn zu töten …«, erwiderte der Knabe mit einem bösen Lächeln.
    Der Wächter runzelte die Stirn. Wovon redeten die beiden bloß? Er hörte sie, aber ihre Worte erreichten seinen Verstand nicht. Es war, als würden sie durch Watte sprechen. Da war nur der süße Mund des Mädchens, ein Hauch von Blumen und Frühling in der Luft. Baldim bemerkte, dass er schwitzte. Redeten die beiden über ihn? Plötzlich spürte er eine schmale Hand auf der Schulter. Sie war so überraschend kalt, dass er erschrocken zusammenzuckte. Der Knabe sah ihn durchdringend an. Baldim bekam von einem Augenblick auf den nächsten fürchterliche Kopfschmerzen. Tränen schossen ihm in die Augen. Er schloss sie, um den Schmerz zu lindern - vergebens. Blut rauschte in seinem Kopf. Er spürte Tränen - er, der alte Recke aus hundert Schlachten, fühlte Tränen des Schmerzes und der Angst über seine Wangen laufen. Rasch öffnete er die Augen wieder. Verschwommen sah er die Sonnenscheibe, die sich durch den Dunst kämpfte. Ächzend schüttelte er den Kopf. Der Schmerz fuhr plötzlich sein Rückgrat hinunter wie ein Stachel aus Eis. Sein Herz setzte aus. Seine Beine gaben nach. Für einen Augenblick glaubte Baldim, in der Ferne die immergrünen Weiden Marekets zu sehen. Dann brachen seine Augen, und er fiel tot zu Boden.
    »Du hast ihn umgebracht, lieber Skefer«, stellte die junge Frau fest.

    Der Junge zuckte mit den Achseln. »Er war alt und noch schwächer, als ich dachte.«
    »Sie sterben so leicht«, wunderte sich seine Schwester.
    »Und es werden noch viel mehr von ihnen sterben, bis wir erreichen, was wir wollen. Doch jetzt komm, Schwester, oder willst du diese Angelegenheit etwa Nyet überlassen?«
    Die Frau lachte, schüttelte den Kopf und schritt leichtfüßig über die Schwelle. Der Knabe warf noch einen Blick auf den am Boden liegenden Wächter, als versuche er, den Schrecken, den er im Gesicht des Toten sah, zu verstehen. Dann wandte er sich mit einem weiteren Achselzucken ab und folgte seiner Schwester in das große Haus des Tiudhan.

Das Reich des Todes
    AWIN STARRTE AUF die Gegenstände, die vor ihm auf dem Pflaster ausgebreitet lagen: Sein Dolch, die Bronzeschale, die Kerze, die Schale mit den Kräutern, der irdene Krug mit Wasser.
    »Ich bin nicht sicher, ob du das Richtige tust, Yaman«, sagte Tuge. »Nein, eigentlich bin ich sogar fast sicher, dass du das Falsche tust.«
    Er bekundete das nicht zum ersten Mal. Awin antwortete nicht. Er schloss die Augen, um sich zu sammeln. Es war längst alles gesagt. Seine Hand strich über die Pflastersteine. Sie waren fein behauen und kühl, und wenn er die Augen wieder öffnete, würden sie im reinsten Weiß erstrahlen. Nichts deutete darauf hin, dass hier vor gerade einmal zwei Monden ein furchtbarer Kampf ausgetragen worden war.
    »Es sieht nach Regen aus. Kannst du denn bei Regen überhaupt …?« Der Bogner vollendete den Satz nicht. Schließlich schnaubte er unwillig, da er wohl eingesehen hatte, dass er keine Antwort bekommen würde. Awin hörte, wie Tuge sich umwandte, die Zeltbahn zurückschlug und sich

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