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Der Sohn des Wolfs

Der Sohn des Wolfs

Titel: Der Sohn des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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allein. Wie mir, so ist es auch dem Bären ergangen. Auch er möchte gern der Vater ihrer Kinder sein, und viele Felle hat er dazu gesammelt.
    Ich spreche für alle jungen Männer, die keine Frau haben.
    Die Wölfe sind immer hungrig. Immer nehmen sie das Beste, die Raben bekommen nur den Abfall.
    Seht Gugkla!« rief er, indem er brutal auf eine Frau wies, die Krüppel war. »Ihre Beine sind krumm wie die Spanten eines Birkenkanus. Sie kann weder Holz sammeln, noch den Jägern das Fleisch tragen. Haben die Wölfe sie gewählt?«
    »Nein! Nein!« brüllten die Stammesgenossen.
    »Und Moyri, deren Augen der böse Geist schielend gemacht hat. Selbst die kleinen Kinder werden bange, wenn sie sie ansehen, und man sagt, daß sogar der graue Bär ihr ausweicht. Wurde sie gewählt?« Wieder erscholl grausamer Beifall.
    »Und dort sitzt Pischet. Sie hört meine Worte nicht. Nie hat sie das Gespräch der Frauen, die Stimme ihres Mannes und das Plaudern ihres Kindes gehört. Sie wohnt im weißen Schweigen. Machen die Wölfe sich etwas aus ihr?
    Nein! Sie nehmen sich das Beste von der Beute; uns bleibt nur der Abfall. Brüder! So soll es nicht bleiben! Die Wölfe sollen nicht mehr um unser Lagerfeuer schleichen. Die Zeit ist gekommen.«
    Ein mächtiger Lichtstreif, das Nordlicht, schoß purpurn, grün und gelb über den Zenit, baute eine Brücke von Horizont zu Horizont. Den Kopf zurückgeworfen und die Arme ausgestreckt, stand er da; seine Rede hatte ihren Höhepunkt erreicht.
    »Seht! Die Geister unserer Väter haben sich erhoben, und große Taten sollen heute nacht verrichtet werden!«
    Er trat zurück, und ein anderer junger Mann trat, etwas unsicher und von seinen Kameraden getrieben, vor. Er überragte sie um Haupteslänge, mit seiner breiten Brust bot er der Kälte Trotz. Unsicher trat er von einem Fuß auf den andern. Er konnte kein Wort herausbringen, und ihm war schlecht zumute. Sein Gesicht war schrecklich anzusehen, denn es war einmal durch einen furchtbaren Schlag halb zerrissen. Endlich schlug er sich mit der geballten Faust auf die Brust, schnaufte wie ein Trommelwirbel, und seine Stimme erscholl wie die Brandung gegen Klippen.
    »Ich bin der Bär – Silberspitze und der Sohn Silberspitzes! Als meine Stimme noch die eines Mädchens war, tötete ich schon Luchs, Elch und Rentier. Als sie wie der Schrei des Vielfraßes unter einem Steinhaufen erklang, ging ich südwärts über die Berge und tötete drei Männer vom Stamme des weißen Flusses. Als sie wie das Brüllen des Sturmes wurde, begegnete ich dem grauen Bären, aber ich wich ihm nicht aus.«
    Hier hielt er inne, und seine Hand fuhr bedeutungsvoll über die furchtbare Narbe.
    »Ich bin nicht wie der Fuchs. Meine Zunge ist gefroren wie der Fluß. Ich kann nicht reden. Meiner Worte sind wenige. Der Fuchs sagt, heute nacht sollen große Taten ausgeführt werden. Gut! Die Rede fließt von seiner Zunge wie die Ströme im Frühling, aber er ist sparsam mit Taten. Heute nacht will ich mit dem Wolfe kämpfen. Ich will ihn töten, und Zarinska soll an meinem Feuer sitzen. Der Bär hat gesprochen.«
    Obgleich alle Geister der Hölle ihn umtosten, hielt der Grindige Mackenzie stand. Da er wußte, wie wenig ihm seine Büchse im Nahkampf nützen konnte, schob er beide Revolver im Gürtel so hin, daß er sie mit einem einzigen Griff erreichen konnte, und zog die Fäustlinge halb aus. Er wußte, daß es keine Hoffnung gab, wenn sie ihn gesammelt angriffen, aber seinem Worte getreu, bereitete er sich vor, mit zusammengebissenen Zähnen zu sterben.
    Der Bär jedoch hielt seine Genossen zurück, indem er die eifrigsten mit seiner furchtbaren Faust vertrieb.
    Als der Lärm sich zu legen begann, blickte Mackenzie sich nach Zarinska um.
    Sie sah prachtvoll aus. Mit halbgeöffneten Lippen und zitternden Nüstern bog sie sich, wie ein Tiger im Sprunge, auf den Schneeschuhen vor. Ihre großen schwarzen Augen hefteten sich in Furcht und Trotz auf ihre Stammesgenossen. So stark war ihre Spannung, daß sie zu atmen vergaß. Die eine Hand krampfhaft gegen die Brust gedrückt, die andere um die Hundepeitsche gepreßt, schien sie zu Stein verwandelt. Als er sie ansah, ließ ihre Spannung nach. Ihre Muskeln erschlafften; mit einem tiefen Seufzer sank sie zurück und warf ihm einen Blick zu, der mehr als Liebe enthielt.
    Thling-Tinneh versuchte zu reden, aber sein Volk übertönte seine Stimme. Da trat Mackenzie vor. Der Fuchs öffnete den Mund zu einem durchdringenden Schrei, aber so wild

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