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Der Sokrates-Club

Der Sokrates-Club

Titel: Der Sokrates-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Weidenfeld , Julian Nida-Ruemelin
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außerhalb des paradigmatischen Anwendungsbereichs individueller Rechte erfolgversprechender ist, liegt jedoch auf der Hand.
    Auch in den Grenzfällen der Rechtszuschreibung im menschlichen Bereich ist das Vorliegen von Interessen konstitutiv. Auch Tiere haben Interessen, zumindest dann, wenn man die antimentalistischen Argumente wie oben geschehen zurückweist. In der Art, wie Rechte in der menschlichen Gesellschaft die Möglichkeit zur autonomen Lebensgestaltung sichern sollen, so sollen tierliche Rechte ihre unbeeinträchtigte Lebensführung sichern.
    »Ja, aber auch nicht schön ist, wenn Leute ihre Hunde aussetzen …Dann werden sie überfahren oder verhungern!«
    Tod und Schmerz bei Tieren
    Die öffentliche Aufmerksamkeit konzentriert sich bei der Frage nach Tod und Schmerzen bei Tieren auf Tierversuche. Jährlich werden in der Bundesrepublik Deutschland rund zwei Millionen meldepflichtige Tierversuche durchgeführt, zu fünfzig Prozent an Mäusen, zu etwa fünfundzwanzig an Ratten, zu acht an Kaninchen und anderen Nagern, zu weiteren acht an Fischen, zu vier an Vögeln und zu eineinhalb Prozent an sonstigen Tieren, unter ihnen auch Katzen, Hunde und Primaten. Die Öffentlichkeit und das Tierschutzgesetz legen strenge Kriterien an die Zulässigkeit dieser Tierversuche an. Zugleich gibt es keine Genehmigungs-, ja nicht einmal eine Meldepflicht für den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln, die in vielen Fällen zu einem qualvollen Tod von Kleinsäugern, insbesondere Mäusen und Ratten, führen.
    In der öffentlichen Diskussion spielt aber der Aspekt des massenhaften qualvollen Todes von Tieren durch Gift und die Einschränkung ihrer natürlichen Lebensräume durch Straßenverkehr oder als Beute von Hauskatzen (man schätzt etwa hundertfünfzig Millionen Kleinsäuger und Vögel mit einer ähnlichen prozentualen Verteilung wie bei den Tierversuchen) keine Rolle, obwohl die Opfer wohlgenährter Hauskatzen oft großes Leid ertragen müssen.
    Bei einer Kohärenzbetrachtung bedarf es der Zusammenschau von Schädlingsbekämpfung, Katzenbeute, Versuchstieren und insbesondere auch der Dimension der Nutztiere. zweihundertsiebzig Millionen Hühner werden in der Bundesrepublik Deutschland gehalten, davon der überwiegende Teil unter qualvollen Bedingungen. Da sind Missverhältnisse in der öffentlichen Debatte bei der Fokussierung auf Probleme der Tierethik entstanden, die wegen ihrer Inkohärenz zugleich Ausdruck von Irrationalität sind. Diese Inkohärenz schlägt sich auch in den gesetzlichen Bestimmungen, die für unseren Umgang mit Tieren relevant sind, nieder.
    Kohärenz verlangt nach durchgängigen Kriterien für die verschiedenen Aspekte unseres Umgangs mit Tieren. Es ist weitgehend unumstritten und hat sich auch im geltenden Tierschutzrecht etabliert, dass ausschließlich das Leiden von Tieren für die moralische Beurteilung relevant ist. Das schmerzlose Töten als solches gilt als irrelevant, es unterliegt keinen ethischen oder juridischen Einschränkungen. Ausnahmen gelten natürlich für den Fall, dass damit in das Eigentumsrecht oder in andere Rechte eingegriffen wird.
    Dies ist aus ethischer Sicht zumindest für solche Tiere problematisch, die auf die Zukunft gerichtete Präferenzen haben. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht jedes Leben, das eine subjektive Welt entwickelt, einen intrinsischen, inneren Wert darstellt. Menschen und Tiere nehmen jedenfalls große Schmerzen auf sich, um ihr Leben zu retten. Während wir jedoch beim Menschen Schmerzzufügung mit dem Zweck der Lebensrettung in den meisten Fällen für gerechtfertigt halten, hält das Tierschutzrecht, aber halten auch viele Haustier- und Nutztierbesitzer die Tötung eines Tieres zur Schmerzvermeidung, selbst wenn die zu erwartenden Schmerzen eher mäßig ausfallen würden, für gerechtfertigt.
    Diese Asymmetrie ist auffällig und zumindest für hoch entwickelte Säugetiere nicht überzeugend. Aber auch wenn wir uns auf die Frage der Legitimität von Schmerzzufügung bei Tieren beschränken, führt bei einer Kohärenzbetrachtung kein Weg daran vorbei, dass man vergleichbare Maßstäbe in unterschiedlichen Bereichen unseres Umgangs mit Tieren zugrunde legen muss. Das heißt, dass Schädlingsbekämpfung und der Umgang mit Versuchstieren, Nutztieren, Haus- und Wildtieren nach den gleichen Maßstäben der Legitimierung von Schmerzzufügung beurteilt werden müssen.

5. Gerechtigkeit oder: Warum es gerecht sein kann, dass das

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