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Der Sokrates-Club

Der Sokrates-Club

Titel: Der Sokrates-Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Weidenfeld , Julian Nida-Ruemelin
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einem Felsen runterstürzen, wenn man will.«
    Halten wir einmal fest: Es gibt zwar das Eigentumsrecht, aber in diesem Fall ist das Recht auf das eigene Leben, das Recht auf Selbstbestimmung größer. Das Recht auf das eigene Leben gehört zu unseren Grundrechten. Wisst ihr eigentlich, was das Grundgesetz ist?
    Die Kinder nicken zögerlich.
    Alle Gesetze, die in unserem Staat für uns gelten, beruhen auf sogenannten Grundrechten. Zu diesen gehören zum Beispiel das Recht auf körperliche Unversehrtheit, also das uns niemand wehtut, und auch das Recht auf Selbstbestimmung. Aber wie ist es nun mit den Gefängnissen? Da werden doch Menschen eingesperrt. Verstößt das nicht gegen das Grundrecht auf Selbstbestimmung?
    Die Kinder melden sich aufgeregt.
    » Ja, aber da ist es doch gerecht, weil sie für was Böses bestraft werden, das sie gemacht haben«, sagt ein Mädchen in der letzten Reihe.
    » Genau, und wenn man sie einsperrt, dann können sie auch nicht weiterklauen«, ruft der Junge in der blauen Trachtenjacke.
    » Und dann haben die anderen Angst, dass sie auch ins Gefängnis müssen, und hören auf zu klauen.«
    » Und wenn sie eingesperrt sind, dann haben sie Zeit zum Nachdenken, und vielleicht kommen sie dann drauf, dass das total blöd ist mit dem Klauen und so«, sagt der Junge mit dem Spiderman-T-Shirt.
    Das heißt, wir müssen gute Gründe dafür haben, jemanden einzusperren. Das unterscheidet die Leute, die in Gefängnissen eingesperrt sind, von denen, die irgendein Räuber einfach eingesperrt hat. Aber wir müssen es schon gut begründen, bevor wir jemanden ins Gefängnis schicken. Deshalb gibt es eine Gerichtsverhandlung, damit all diese Gründe hervorgebracht und abgewogen werden können. Jetzt habe ich noch eine Frage für euch. Was würdet ihr dazu sagen: Darf sich jeder von den Klippen stürzen, wenn er Lust hat?

    Die Kinder sind sich uneins.
    » Also, man darf immer selbst bestimmen, was man mit seinem Leben macht. Das Leben gehört einem doch!«
    » Ja, aber mein kleiner Bruder zum Beispiel, der wollte sich, als wir in der Bretagne im Urlaub waren, andauernd von den Felsen stürzen, da musste die Mama ihn immer festhalten. Der darf das nicht bestimmen, weil er doch gar nicht weiß, was er tut!«
    » Aber wenn man groß ist und weiß, was man tut, dann darf man das schon, weil man dann für sich selber verantwortlich ist«, sagt der Junge mit den schulterlangen blonden Haaren.
    Könnte man sagen, dass mit zunehmendem Alter zwar die Verantwortung, aber auch die Rechte zunehmen?
    Die Kinder nicken.
    » Ich darf jetzt auch mehr machen als mein kleiner Bruder. Zum Beispiel darf ich mal mit meinen Eltern abends einen Film sehen und so, aber dafür erwarten meine Eltern auch mehr von mir, also zum Beispiel, dass ich vernünftiger bin als der Jonas.«
    » Ich finde das jedenfalls total doof, sich von einem Felsen zu stürzen«, sagt ein Junge mit einem breiten Grinsen.
    Dann kann es also sein, dass etwas unvernünftig ist, aber man trotzdem das Recht hat, es zu tun? Was meint ihr?
    Die Kinder denken nach.
    Wie ist das mit dem Sicherheitsgurt? Den muss man anziehen, sonst wird man bestraft. Ist das gerecht?
    » Also, wenn man das nicht macht, dann piept es ganz laut«, sagt der Junge mit dem Ringelpullover, » meine Mutter ist dann total genervt und sagt immer: › Ja, ja, jetzt gib schon Ruh, du Depp‹«.
    Ist das gerecht, dass wir gezwungen werden, den Gurt anzuziehen?
    » Ja, schon«, sagt das Mädchen mit den roten Haaren, » weil wir uns sonst wehtun können.«
    » Hm, eigentlich nicht«, sagt ein Junge mit einem blonden Pagenkopf nachdenklich.
    Und warum nicht?
    » Weil das meine eigene Entscheidung ist, ob ich mir weh tue oder nicht«, antwortet er.
    Wie sieht es denn mit Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft aus? Habt ihr ein paar Beispiele für Ungerechtigkeiten?
    Die Kinder sind unsicher, was » Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft« bedeuten.
    Schließlich meldet sich ein dunkelhaariger Junge.
    » Bei mir um die Ecke ist so ein Haus, das ist so hässlich und grün und gelb angemalt, da möchte ich nicht drin wohnen. Meine Mama hat gesagt, das ist für Leute, die nicht so viel Geld haben. Aber das finde ich total ungerecht, dass sie in so hässlichen Häusern wohnen müssen.« (Mehr wissen)
    Also könnte man sagen, dass da der Staat oder die Stadt ungerecht ist?
    » Ja«, sagt der Junge, » weil die doch schönere Häuser bauen könnten, finde ich.«
    Wer entscheidet denn

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