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Der Sommer am Ende des Jahrhunderts: Roman (German Edition)

Der Sommer am Ende des Jahrhunderts: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer am Ende des Jahrhunderts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Geda
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und Decken schützen Flaschen und einen kleinen Fernseher. Bevor sie in Richtung Autobahn verschwinden, machen sie bei mir halt, um sich zu verabschieden. Ich komme in Pantoffeln herunter. Draußen auf dem Bürgersteig gebe ich Vittorio die Hand. Er lächelt freundlich, wirkt ein wenig zerzaust – ein netter Junge mit Zukunftsplänen. Bestimmt ist er ein guter Koch. Keine Ahnung, wie ich darauf komme, aber genau das geht mir durch den Kopf. Agata tritt näher und sieht nach rechts und links, so als gelänge es ihr nicht, mein Gesicht zu erfassen. Als sie noch einen Schritt von mir entfernt ist, schaut sie langsam auf. Ihr Blick gleitet von meinem Hals über das Kinn bis hinauf zu den Wangen. »Du musst dich rasieren«, sagt sie.
    »Rufst du mich an?«, frage ich.
    »Rufst du mich an?«
    »Ich weiß nicht«, sage ich.
    »Ich weiß es auch nicht.«
    »Im Grunde sind wir uns ähnlich«, sage ich.
    Agata tut so, als müsste sie einen Ohrring zurechtrücken, aber sie trägt gar keine Ohrringe, hat nie welche gewollt. »Nein. Das sehe ich anders«, entgegnet sie.
    Wir schweigen einen Moment, haben dem nichts mehr hinzuzufügen. Es ist Vittorio, der uns rettet. Er macht die Autotür zu und sagt: »Ich will ja nicht drängeln, aber wir müssen los, sonst kommen wir noch in den Stau.«
    Agata nickt, macht auf dem Absatz kehrt und geht zu ihm. In diesem Moment dämmert mir, dass ich nicht weiß, wann ich sie wiedersehen, ja ob ich sie wiedersehen werde. Nicht weil es nicht möglich wäre, sich zu besuchen, sondern wegen der tieferen Bedeutung, die jeder diesem Wunsch beimessen würde. Kurz bin ich versucht, ihr nachzulaufen, sie an den Schultern zu packen, sie zu zwingen, sich umzudrehen, sie so fest zu umarmen, dass ich ihre Knochen spüre. In dem Moment, in dem sich Widerstand in mir regt, dreht sie sich um und kommt noch mal zurück. Die Straße ist plötzlich aus Schlamm, sie stößt sich kräftig mit den Füßen ab. Sie nimmt meinen Kopf in beide Hände, küsst mich auf die Stirn und beugt sich vor zu meinem Ohr: »Ich bekomme übrigens ein Kind.«
    *
    Ich kündige. Die Abfindung der Ferroni-Gruppe ist äußerst großzügig, und wenn ich meine Ersparnisse, die Investitionsgewinne, die vier Häuser, die Wohnung meiner Mutter, die in der Stadt, die am Meer und die in den Bergen, hinzuzähle sowie die Pension, die ich irgendwann erhalten werde, habe ich zweifellos mehr Geld, als ich aufbrauchen kann. Ich verkaufe die Wohnung in Turin, vermiete die anderen beiden. Nicht die in Genua, die bleibt leer, ich überschreibe sie Agata. Ich ziehe für eine Weile dorthin. Mithilfe von Iole finde ich ein abgelegenes Haus außerhalb von Colle Ferro. In der näheren Umgebung gibt es nichts als Wald, einen Bach, einen riesigen Felsblock, der irgendwann dorthin gerollt ist, und zwei selten genutzte Wege, die sich auf Höhe des Felsblocks trennen, weil sie sich nicht zwischen den Feldern und den Gipfeln des Apennins entscheiden können. Vom Balkon im ersten Stock aus sieht man, wo das Wasser meine Vergangenheit versenkt hat.
    Zwei Jahre verbringe ich damit, das Haus zu renovieren und spazieren zu gehen. Ich suche nach der Lichtung mit den toten Beinen und glaube schließlich, sie gefunden zu haben. Ich suche nach der Stelle, wo der deutsche Soldat dem Zigarettenangebot nachgegeben und meinen Vater in die schneebedeckten Brombeerbüsche gestoßen hat. Ich entdecke sie hinter dem Werkzeugschuppen einer kleinen Villa. Ich finde zum beschwingten Gang meiner Jugend zurück, als ich noch beim Alpenverein war.
    Ich eigne mir Wege und Trampelpfade an, erkunde jede Abzweigung. Zweimal die Woche essen Iole und ich gemeinsam zu Mittag. Das eine Mal gehe ich zu ihr hinunter, das andere Mal kommt sie zu mir herauf. An Weihnachten sehe ich Maria wieder. Sie ist mit ihrem Mann aus Rom gekommen, um die Feiertage in Colle Ferro zu verbringen.
    Ich schlafe viel. Nach dem Aufwachen gehe ich nach unten und frühstücke Brot mit Honig oder Käse. Dann gehe ich hinaus und setze mich auf die von mir gezimmerte Bank. An die Hauswand gelehnt, schließe ich die Augen und schlafe wieder ein. Die Vögel wecken mich. Ist schönes Wetter, gehe ich in den Wald zu der Lichtung mit den toten Beinen, breite eine Decke aus, lege mich auf den Rücken und schaue in den Himmel jenseits der Baumwipfel. Die Wolken nehmen Formen und Bedeutungen an. Die Milch bekomme ich direkt von der Kuh nach Hause geliefert. Vorsichtshalber koche ich sie ab, und während das Feuer den Topf

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