Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer deines Todes

Der Sommer deines Todes

Titel: Der Sommer deines Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
Vom Netzwerk:
ein.
    Im Norden der Insel ist jemandem ein kleiner Junge in einem Hotel in La Maddalena aufgefallen.
    Jemand hat mitgekriegt, wie ein Fünfjähriger ohne Begleitung am Strand von Tortoli spazieren gegangen ist.
    Jemand hat in Quartu Sant’Elena ein Kind mit einer Frau beobachtet, die wahrscheinlich nicht seine Mutter war.
    An einer Straße in Vilamar wurden ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen, beide allein und ungewaschen, gesichtet.
    Obwohl Sarden und Touristen Ben überall auf der Insel gesehen haben wollen, ist keiner in der Lage, ihn zu beschreiben. Allerorten gute Samariter, die sich auf ihr Bauchgefühl verlassen und Hinweise geben, die uns nur in die Irre führen.
    Doch dann meldet sich eine ältere Dame aus dem Dorf Codrongianos und schildert, was sie vor zwei Tagen erlebte: Ein fremdländisch sprechender Junge mit braunen Haaren kam weinend aus einem Café gerannt. Kurze Zeit später verfrachtete ein Mann mit weißen Haaren, der schon häufiger im Fernsehen aufgetreten ist, den Jungen einfach so – ohne Kindersitz – auf die Rückbank eines Fahrzeuges. Und als dann im Fernsehen über Bens Verschwinden berichtet wurde, erkannte sie den Jungen und den Polizeichef anhand der gezeigten Fotos.
    Eine andere Frau – eine britische Touristin, die in Mugoni abgestiegen war – berichtet von einem älteren weißhaarigen Italiener, der auf Englisch mit einem starken Akzent auf einen Jungen einredete. Sie trugen offenbar eine Tüte mit Lebensmitteln, und da der Mann einen Schlüsselbund in der Hand hielt, nahm die Frau an, dass die beiden nach dem Einkauf zu ihrem Wagen zurückkehrten.
    Und heute Morgen hat ein Mann auf einem Spaziergang am Capo Caccia gehört, wie in einem alten Leuchtturm ein Junge und ein Mann miteinander in einer fremden Sprache redeten. Seiner Meinung nach handelte es sich dabei um Englisch, aber hundertprozentig sicher war er nicht. Obwohl er die beiden nicht sehen konnte, nahm er aufgrund der Stimme an, dass der Junge noch klein war.
    Ein Blick auf die Karte verrät uns, dass sowohl Codrongianos als auch Mugoni zwischen Capo Caccia und Golfo Aranci liegen, wo Ben Marys Obhut entrissen wurde. Hat Greco ihn von einer abgeschiedenen Landzunge auf eine andere verfrachtet? Angesichts des gefährlichen Terrains auf dieser Insel wird mir angst und bang. Ich erinnere mich noch allzu gut, wie der silberne Sportwagen über die Klippe hinausgeschossen ist, höre deutlich, wie das Fahrzeug in der Tiefe auf der Meeresoberfläche aufschlug. Das hätte auch mein Schicksal sein können. Falls Ben immer noch bei Enzio Greco ist, wieso hat der Polizeichef einen am Meer gelegenen Unterschlupf gewählt?
    Und dann geht mir ein Licht auf: Er plant eine Flucht per Boot. Während wir über die Westküste der Insel fliegen, überlege ich fieberhaft. Wenn Greco den Anschein aufrechterhalten will, er hätte nichts mit der Entführung zu tun, muss er Ben loswerden. Nur wie? Im Geist gehe ich die verschiedenen Möglichkeiten durch: Menschenhändler, somalische Piraten. Wer kommt sonst noch in Frage?
    Als der Hubschrauber nach links abdreht, falle ich auf Mary. Unter uns taucht eine Landzunge auf.
    «Guy?», rufe ich. «Ist es da unten?»
    Er spricht mit dem Piloten, bevor er antwortet. «Ja.»
    In der Ferne kann man an der Landspitze ein kompaktes Gebäude erkennen.
    «Sieht nicht wie ein Leuchtturm aus», gebe ich zu bedenken.
    «Stimmt.»
    Es ist für uns alle unbekanntes Terrain. Selbst Guy de Luca, der in Rom lebende Amerikaner, kennt sich auf dieser Insel nicht richtig aus. Einmal abgesehen von seinen Sprachkenntnissen und der Tatsache, dass er in seiner Funktion als FBI -Agent weitreichende Befugnisse hat, ist er auf Sardinien so fremd wie wir.
    Eine einsame, gewundene Straße, die zu dem untypischen Leuchtturm führt, rückt in unser Blickfeld. Mehrere Polizeifahrzeuge und ein Krankenwagen, dessen Präsenz mich zutiefst verstört, kriechen im Schneckentempo um die Kurven. Hat die Polizei neue Informationen erhalten, nachdem wir Golfo Aranci verlassen haben? Oder rüstet man sich hier wie in den USA nur für alle Eventualitäten?
    Vor dem Leuchtturm steht ein Auto auf einem staubigen Parkplatz.
    «Ganz schön tief unten», merkt Dathi an.
    «Sieht von hier oben verlassen aus», sage ich.
    Mac und Fremont nicken zustimmend.
    «Selbst wenn der Turm Besuchern offen steht», erklärt Guy, «dürfte heute Ruhetag sein. Montags haben in Europa fast alle Museen und öffentlichen Einrichtungen

Weitere Kostenlose Bücher