Der Sommer deines Todes
Ordnung.»
«Wie schlimm war es?»
«Mac, wir müssen uns auf das Wesentliche konzentrieren, sonst kommen wir keinen Schritt weiter. Wir sollten uns nicht übermäßig Sorgen um uns machen, okay? Das bringt nichts. Wir müssen alles tun, um sie zu finden.»
«Bin ganz deiner Meinung.»
«Das weiß ich.»
In Wahrheit hat Karin den Nagel auf den Kopf getroffen: Er macht sich ihretwegen Sorgen und lässt sich davon ablenken.
«Ich gehe jetzt besser mal rein.» Er betrachtet La-as rötlich-braunes Sandsteinhaus. Die Töpfe mit roten Geranien auf der Vordertreppe passen gar nicht zu der sonst so pragmatischen Polizistin.
«Weiß sie, dass du kommst?»
Er läutet. «Ja. Sei vorsichtig, Karin.»
«Ich liebe dich auch.»
Ein heranwachsendes Mädchen, um zwei Uhr nachmittags noch im Nachthemd, öffnet die Tür. Ihre ungekämmten, glattgezogenen Haare wirken wie elektrisiert.
«Sie sind nicht Tyrone», verkündet sie.
«Ich bin Mac. Deine Mutter erwartet mich.»
«Mir hat keiner was gesagt.»
«Das ist offensichtlich.»
Ein etwa sechsjähriger Junge in Unterhosen schiebt seine Schwester beiseite. «Mama sagt, Sie können reinkommen.»
«Danke.»
«He, Aaron …», ruft sein kleiner Bruder, dessen fröhliche Miene bei Macs Anblick einfriert.
«Tut mir leid, ich bin nur Mac.»
Die drei Kinder verschwinden und lassen Mac einfach auf dem alten Orientteppich im Flur stehen. Unter einem Schild mit dem Aufdruck
Keine Schuhe im Haus
stapeln sich zahllose Sneakers, Stiefel und Sandalen. Mac steigt der Geruch von frisch getoasteten Brotscheiben in die Nase.
Billy kommt – barfuß, mit schwarzer Augenklappe, in Shorts und T-Shirt – breit grinsend die Treppe hinunter. Dass sein Freund sich hier wie zu Hause zu fühlen scheint, verblüfft Mac, doch er verkneift sich einen Kommentar, klopft seinem Freund stattdessen auf den Rücken und freut sich über die herzliche Umarmung.
«He, Mann.» Billy schiebt Mac durch ein Esszimmer mit einem langen Eichentisch und – man sehe und staune – einem Kronleuchter Richtung Küche, wo La-a am Herd Eier brät.
«Mehr ist auf die Schnelle nicht drin», meint sie.
«Dash.» Mac gibt ihr einen Kuss auf die Wange – auch dies ein Novum. «Schön, dich zu sehen. Klasse Schürze.»
Sie verpasst ihm mit dem Pfannenwender einen Klaps, der einen Fettfleck auf seiner Hose hinterlässt.
«Autsch!»
«Keine Witze über meine Schürze.» Als sie grinst, funkelt ihr goldener Schneidezahn im Sonnenlicht, das durch das Küchenfenster fällt. Im Hinterhof herrscht Ordnung: Die Spielsachen liegen in einer Plastikkiste, und unter dem grünen Schirm steht ein Picknicktisch.
Mac legt die Zeitung auf die Küchentheke und hilft Billy, den Tisch zu decken. Er schaut in die Besteckschublade und fragt: «Wie viele essen mit?»
«Sechs», antwortet Billy.
«Devon und Dwayne sind im Ferienlager.» La-a dreht ein brutzelndes Ei in der heißen Pfanne um. «Ist auch besser so, denn ich hätte es nicht ertragen, mir den ganzen Sommer ihr Gejammer anzuhören.»
«Spielen sie immer noch Baseball?» Soweit Mac weiß, fährt La-a jede Woche kreuz und quer durch die Stadt, um ihre Söhne – neun und zwölf Jahre alt – zu den Trainings und Spielen zu bringen.
«O ja. Sollen sie doch bei fünfunddreißig Grad auf einem Spielfeld verglühen, wenn es ihnen Spaß macht … Hauptsache, ich muss mich nicht um sie kümmern. Noch ein paar Jahre, dann sind auch Kwame und Erik alt genug fürs Ferienlager. Allerdings sind die beiden so lieb und süß, dass sie mir bestimmt fehlen werden.»
«Na, das wird sich noch ändern», gibt Billy zu bedenken.
«Wie wahr.» Sie wendet das nächste Ei. «Wie wahr.»
«Deine Tochter ist nicht für einem Aufenthalt im Camp zu begeistern?», fragt Mac, während er Gabeln und Messer auf dem Tisch verteilt.
«Oje, frag sie nicht nach Latisha», murmelt Billy, der gerade die Servietten faltet.
Die Eier brutzeln lauter. La-a lässt die siedend heiße Pfanne nicht aus den Augen. «Nein, Tish hat für derlei Dinge nichts übrig. Im Moment interessiert sie sich nur für Jungs. Ich könnte sie umbringen.»
Mac wirft Billy einen Blick zu, der eine Augenbraue hochzieht, und fragt sich, wo das Problem liegt. Als die Kinder ein paar Minuten später am Tisch sitzen, weiß er es sofort. Soweit Mac sich erinnert, war Latisha, die Älteste, bis vor kurzem La-as ganzer Stolz, doch nun steckt die gehorsame Musterschülerin und gefragte Babysitterin mitten in der Pubertät. In den
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