Der Sommer der Frauen
betrachtete das Bett, das für die nächste Zeit das ihre werden sollte. Die verschossenen Volants, die den Bettkasten zierten, und die alte Seesterndecke sahen so einladend aus, dass June sich vorstellen konnte, augenblicklich einzuschlafen.
Die Badezimmertür öffnete sich, eine dampfende Wolke entwich, und Isabel betrat in grauer Yogahose und rosarotem Tanktop das Zimmer. Die langen braunen Haare mit den hübschen goldenen Strähnen lagen ihr feucht um die Schultern.
«Alles in Ordnung, Isabel?», fragte June.
Blöde Frage
, dachte sie. Natürlich war gar nichts in Ordnung.
Isabel starrte auf ihre rosarot schimmernden Zehennägel hinunter. «Nein.»
June warf Kat einen Blick zu. Mit so viel Aufrichtigkeit hatte sie nicht gerechnet, trotz des Bekenntnisses vorhin im Aufenthaltsraum.
«Isabel, es tut mir so leid!» Kat saß im Schneidersitz auf ihrem Bett, zog die Knie hoch und schlang die Arme darum. Es war ihr anzusehen, dass sie eigentlich noch etwas sagen wollte, aber nicht wusste, was.
June setzte sich auf ihr eigenes Bett. «Was glaubst du, wie es jetzt weitergeht? Er trennt sich von ihr, und ihr zwei kriegt das wieder hin?»
Isabel ging zum Balkon und starrte in die Nacht. Junes Blick fiel auf die beiden Ringe an der Hand ihrer Schwester, den zweikarätigen runden Diamanten, der schon seit langem den winzigen Splitter auf dem Verlobungsring ersetzt hatte, und den diamantenbesetzten, goldenen Ehering.
«Meinst du, das geht?», fragte Kat. «Ich meine, wie soll man denn über so was je hinwegkommen?»
«Genau deshalb ist die Figur von Meryl Streep in
Die Brücken am Fluss
ja bei ihrer Familie geblieben», sagte Isabel, den Blick immer noch hinaus in die Nacht gerichtet. «Sie wusste, dass ihr Mann und ihre Kinder niemals darüber hinwegkommen würden. Aber Edward ist es wahrscheinlich einfach egal, ob ich das kann oder werde oder eben nicht.» Sie brach in Tränen aus.
June und Kat wechselten wieder einen Blick und eilten zum Balkon. Sie nahmen Isabel in die Mitte, Kat berührte sacht ihre Hand, und June legte einen Arm um ihre Schwester.
«Es klingt verrückt, aber das, was du von dem Augenblick erzählt hast, als du die Sache mit Edwards Affäre herausgefunden hast, erinnert mich daran, wie ich mich gefühlt habe, als Lolly uns von dem Unfall erzählt hat», sagte June. «Wenn etwas passiert, das man sich nie vorstellen konnte, das man sich nicht vorstellen
kann
. Man steht eine Zeitlang so unter Schock, dass man gar nicht in der Lage ist, es zu verarbeiten.»
Es sei denn, der Schock war für ihre Schwester in Wirklichkeit gar nicht so groß gewesen. Sie hatte ja keine Ahnung, wie es um Isabels Ehe stand, wie ihre Beziehung zu Edward wirklich war.
«So ging es mir auf der Fahrt hierher», erzählte Isabel. «Ich stand völlig unter Schock. Nur deshalb war ich überhaupt in der Lage, Auto zu fahren. Aber als mich die Wahrheit dann traf, die Erkenntnis, dass das alles wirklich passiert ist, der anonyme Brief, Edward, wie er aus dem Schlafzimmer dieser Frau kam, sein Blick – und auch, wie es in letzter Zeit zwischen uns gelaufen ist, na ja, wahrscheinlich schon länger, vermute ich … Da traf es mich mit voller Wucht. Ich bin völlig zusammengebrochen. Ich bin in irgendein Motel gegangen und habe die ganze Nacht und fast den ganzen nächsten Tag lang durchgeheult, bis es Zeit wurde, weiterzufahren.»
«Und als wäre das nicht schon genug, kommt obendrauf noch – bumm! – die Hiobsbotschaft meiner Mutter», sagte Kat.
Isabel wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. «Ich weiß überhaupt nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Sobald ich an Edward denke, denke ich plötzlich an Lolly. Und dann bin ich wieder bei Edward und sofort danach wieder bei Lolly.» Sie holte tief Atem und stieß ihn wieder aus. «Er will gar nicht, dass wir es wieder hinkriegen. Er sagt, er liebt diese Frau. Wahrscheinlich hätte er mir noch gesagt, dass er die Scheidung will, wenn ich nicht so schnell aufgelegt hätte.»
Kat setzte sich zurück auf ihr Bett. «Ich kann es nicht fassen. Das ist wirklich ein Schock. Ich meine, du und Edward, ihr seid zusammen gewesen, seit ich zehn Jahre alt war.»
«Stimmt, eine Woche, nachdem wir in die Pension gezogen sind, seid ihr zusammengekommen», sagte June.
«Und jetzt das mit Tante Lolly … ich weiß, eigentlich standen wir uns nie sehr nahe. Aber, weißt du, Kat, deine Mutter ist –» Isabel holte tief Luft. «Sie bedeutet mir einfach sehr viel.»
«Mir auch», sagte June.
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