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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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den Ärmel des Richters. Mit einem energischen Ruck löste sich Ratold aus dem Griff des Wirts. Im selben Augenblick ertönte wieder die Theaterkapelle. Ratold hob die Hand.
    »Ruhe jetzt! Es scheint weiterzugehen!«
    »Herr Richter!«, presste Paccoli hervor. Seine Stimme vibrierte. »Es ist kein Spaß mehr! Es muss etwas geschehen!«
    Ratold warf ihm einen überheblichen Blick zu. Paccolis Gesicht zuckte. Es auskostend, dass der sonst so Überlegene seine Fasson zu verlieren drohte, raunte der Richter kryptisch:
    »Ich habe meine Vorkehrungen getroffen.«

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    D er Paccoli gehört uns«, flüsterte Vester, ohne den Blick von der Bühne zu lassen. »Ihr packts den Richter. Dann zündets das Gerichtshaus an.«
    Der Steiger der Grube Fagertal grinste grimmig.
    »Wird gut brennen mit all den Akta, was es da von uns hat.« »Zuvor aber an die Kassa denken, verstanden?«
    »Sind wir blöd? Aber was ist mit dem Kolber und dem Hassl?« »Wie ausgemacht. Die heben wir uns auf.«
    »Abers Wirtshaus nit eher anzünden, bevor wirs Bier nit draußen haben, woll? Ich mags nit angewärmt.«
    »Geh jetzt zu deine Leut.«
    Vester ließ seinen Blick über die Menge wandern. Bis jetzt entwickelte sich alles so, wie er es sich vorgestellt hatte. Das Publikum war bereits jetzt außer Rand und Band. Wenn das Stück zu dem Höhepunkt kommen würde, den ihm Gidi und Babett geschildert hatten, gäbe es kein Halten mehr. Und diesen Moment würden sie nutzen. Sie waren zwar nur knapp dreißig Leute, und ihre Bewaffnung bestand nur aus kleinen Hacken und Messern, aber auf ihrer Seite würden zwei mächtige Verbündete mitkämpfen: die aufgestaute Wut der Dörfler gegen ihre Obrigkeit. Und die Überraschung.
    Denn heute würde Zahltag sein. Dass sie gegen die Besitzer immer die schlechteren Karten hatten, hatten sie bisher hingenommen – so war es überall, und sie sahen nicht, wie es zu ändern gewesen wäre. Als aber Gidi den toten Krister vor ihreFüße legte und berichtete, dass er Paccoli und Hassl in der Nähe angetroffen hatte, hatte sich augenblicklich Hass wie tödlicher Frost in ihre Gemüter gesenkt.
    Sie hatten Krister in der Mitte der großen Zeche aufgebahrt. Dann hatten sie das letzte Pulver zusammengekratzt und den Stollenmund gesprengt. Wem es je gelänge, in das unterirdische Labyrinth einzudringen, der würde keinen wurmzerfressenen Kadaver, sondern einen nahezu unversehrten Körper vorfinden.
    Dann hatten sie die Knappenstube verriegelt, das weiße Kreuz der endgültig verlassenen Behausung auf die Türe gemalt und sich auf den Weg zur Grube Nonnerboden gemacht. Bald danach war die Empörung wie ein Lauffeuer von Grube zu Grube gerast.
    Babett hatte versucht, ihn zurückzuhalten, hatte wieder von einem entfernten Verwandten in Wien gesprochen. Er hieß sie grob schweigen.
    »Was soll werden, wenn alles zu Aschen geworden ist?«, hatte sie noch gefragt.
    Die Männer wussten es nicht. Einer aus der Grube Nonnerboden hatte vorgeschlagen, sich anschließend in den Stollen zu verschanzen. Niemand kannte sie besser als sie, niemand wusste davon, dass sie vor einigen Monaten zu einem natürlichen Höhlensystem durchgeschlagen hatten, das zu einem unauffälligen Ausgang auf der salzburgischen Seite führte. Über ihn könnten sie Nachschub organisieren; der Raub der Bergkasse würde ihnen eine gute Bewaffnung erlauben, und gar nicht unwahrscheinlich war, dass man Salzburger Aufkäufer als Verbündete gewänne. Das Gebirge würde zu einer uneinnehmbaren Festung. Und sie würden so lange ausharren, bis der ferne Landesvater erkennen würde, welches Unrecht ihnen geschehen war.
    Andere plädierten für sofortige Flucht ins Venetische. Im Steirischen oder im Engadin wäre Arbeit zu finden. Die erste Zeit würden sie mit dem geraubten Geld überbrücken.
    Die Knappen wurden sich nicht einig. Es würde darauf hinauslaufen,dass die Steiger die Beute verteilten, einige sich in den Gruben verschanzen, andere fliehen würden.
    Vester wusste ebenfalls noch nicht, was danach geschehen sollte. Er wusste nur, dass Babett am Waldrand auf seine Rückkehr wartete, dass er sie wiedersehen wollte. Und, dass er tun musste, was er tun würde. Von Jahr zu Jahr war ihr Verdienst geschmolzen, hatten sie sich auf schwierigere Arbeitsbedingungen einlassen müssen. Doch dass ihnen jetzt auch noch ihr Stolz und ihre Würde geraubt werden sollten, war nicht mehr zu ertragen.
    Das Ende der Zwischenmusik riss Vester aus seinen Gedanken. Seine Muskeln spannten

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