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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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zurück. Wieder traf ihn ein Wurfgeschoss, diesmal an der Schläfe. Vester verlor die Besinnung, knickte ein, kreiselte und machte einen Schritt zurück ins Leere.
    Der Richter sah am Dorfeingang streng auf den kurbairischen Offizier herab.
    »Na endlich. Sie kommen in letzter Sekunde, capitaine . Das wird Konsequenzen haben.«
    Der Offizier nahm Haltung an.
    »Wir kamen, so schnell wir konnten, Herr Richter.« »Also gut. Nehmen Sie alle Unruhestifter fest.«
    Der Offizier sah sich fragend um. Eine Prozession wälzte sich auf das Tor des Gasthofs zu, die Bernauerin wie eine Monstranz an ihrer Spitze tragend. Ratold wies zur Lände. Einige der Zuschauer debattierten noch immer heftig miteinander. In der Nähe des Stegs prügelten sich zwei Knappen mit einer Meute junger Bauern.
    »Pardon! Würden der Herr Richter dies spezifizieren?«
    »Es sind Bergknappen. Sie erkennen sie an ihrer plebejerhaften Kleidung. Sie stehen im Verdacht, eine Rebellion vorbereitet zu haben.«

41
    E leonore Schikaneder schob behutsam die Türe hinter sich ins Schloss. Sie wartete eine Weile, bis sich ihre Augen an das dämmerige Dunkel gewöhnt hatten, und lauschte den gleichmäßigen, leicht rasselnden Atemzügen des Schlafenden. Sie rümpfte die Nase; in der Kammer stand muffige, von Weindunst, Schweiß und kaltem Rauch geschwängerte Luft. Sie stieg über die auf dem Fußboden verstreuten Kleidungsstücke, zog die Vorhänge mit einem Ruck zurück und öffnete das Fenster.
    Der Prinzipal zuckte zusammen, verzog das Gesicht zur geschmerzten Grimasse und blinzelte in das gleißende Licht. Er wälzte sich herum und vergrub sein Gesicht im Kissen.
    »Guten Morgen, Schani«, sagte Eleonore. »Die Nacht ist vorbei.«
    Ein Stöhnen antwortete ihr. Sie setzte sich auf die Bettkante. Ihr Blick glitt durch die Kammer und verweilte für einen Augenblick an einer Stelle des abgetretenen Bettvorlegers. Ihre Schultern sanken leicht herab, und ein dünner Schmerz verschattete kurz ihre Augen.
    »Erzähl«, sagte sie.
    Schikaneder wandte ihr sein Gesicht zu und hielt die Hand schützend vor seine Augen.
    »Erst du«, krächzte er. »Hast du sie?«
    Eleonore zog eine Nadel aus ihrer Frisur, nahm ihren Hut ab und legte ihn auf die Bettdecke.
    »Die Permission für Salzburg?«Schikaneder schob sich zum Kopfende und stützte sich ächzend auf seine Ellbogen.
    »So quäl mich doch nicht, Eleonore«, sagte er ärgerlich. »Was denn sonst? Sag – hast du sie bekommen?«
    Sie nickte selbstgefällig.
    »Habs dir doch versprochen.«
    Der Prinzipal ließ sich erleichtert auf das Kissen zurückfallen und schenkte ihr einen dankbaren Blick. »Wunderbar«, sagte er matt. »Dann können wir ja endlich aufbrechen.«
    Sie wischte einen Staubflusen von ihrem Hut. »Gewiss.« Seine Lider verengten sich.
    »Und?«, fragte er mit plötzlichem Argwohn.
    »Und – was?«
    »Du weißt genau, was ich wissen will«, raunzte er. »Was hat es – gekostet?«
    Sie schürzte verächtlich die Lippen.
    »Nichts, was meinen und deinen Ruf gefährden würde – das hast du doch gemeint?«
    »Auch«, bestätigte er. »Und wenn du es schon vor allem anderen erwähnst, also noch vor der üblichen Zusage unbegrenzter Freibillets für Hofrat und Magistrat, unbezahlter Verzierungen privater Feste und dergleichen, dann –«
    Sie sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
    »Was?«
    »Dann ist etwas in dieser Art vorgefallen. Was war es?« »Na, was schon?« Eleonore seufzte gelangweilt. »Der Herr
    Hofkämmerer, ein wahrer Leuchtturm von Sitte und Moral, war
    nahe dran, sich zu vergessen.«
    »Nahe dran?«, rief Schikaneder hitzig. »Was heißt das?« Er stemmte sich mit einem Ruck hoch. Sie drückte ihn auf das Kissen zurück.
    »Das heißt, dass du mir zuhören sollst: Es ist nichts geschehen . Für seine wuchernden Phantasien wirst du dem Herrn Hofkämmerer keine Vorhaltungen machen können. Er hat lediglich die Fasson verloren und einige, sagen wir, missverständlicheÄußerungen getan, die niemand außer ihm und mir gehört hat. Ich hab dosiert die Empörte gegeben, woraufhin er anderntags sehr reuig war und umgehend die Permission diktieren ließ.«
    »Diese Salzburger Tartüffe!«, fuhr Schikaneder auf. »Ich werde –!«
    »Nichts wirst du«, sagte Eleonore entschieden. »Der Herr Hofkämmerer ist erstens ein bedauernswerter, an seiner Einsamkeit und seinem unattraktiven Aussehen leidender alter Herr, und«, sie strich eine schweißfeuchte Haarsträhne aus seiner Stirn und lächelte, »da

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