Der Sommer der Gaukler
aber gibt es keine Spur. Verschwunden ist übrigens auch der Knecht vom Kolber. Und seine Hausmagd –«
»Hieß sie nicht Babett?«
»Babett, ja.« Er schüttete Wasser in die Schüssel, tunkte den Waschlappen hinein und wischte sich über das Gesicht. »Sie scheint ebenfalls auf rätselhafte Weise mit dieser Angelegenheit verbunden zu sein. Einige vom Dorf schwören, sie im Getümmel gesehen zu haben, wie sie, kaum, dass der Anführer ins Wasser gefallen war, ihm nachgesprungen sei. Was außerdem fehlt, ist das Boot, mit dem ich als Herzog Albrecht angekommen bin. Gut möglich, dass sich die meisten der Rebellen aufihm gerettet haben.« Er seufzte. »Mitsamt der teuren Dekoration...«
»Ich bin jedenfalls froh, dass dir nichts geschehen ist«, sagte Eleonore. »Merkst du übrigens was? Immer wenn ich nicht da bin, kommst du in Schwierigkeiten.« Sie wartete seinen Einspruch nicht ab. »Aber jetzt erzähl endlich.«
Schikaneder drehte sich zu ihr und runzelte die Stirn. »Und was tu ich die ganze Zeit?«
»Das meine ich nicht, Schani«, sagte sie ruhig.
Er sah sie erstaunt an. Aus Eleonores Blick, der unverwandt auf ihm ruhte, wuchs ein feines Glimmen. Schikaneder legte das Handtuch zur Seite.
»Verstehe«, sagte er lächelnd. »Du willst wissen, ob ich dir treu gewesen bin.«
»Wenn du es schon vor allem anderen erwähnst...?«
Er breitete die Arme aus und ging strahlend auf sie zu.
»Komm an mein Herz, du Liebe!«, rief er, drückte sie fest an sich und küsste sie. Unter seinen nackten Sohlen fühlte er eine kleine Spange, die Demoisell Bichler vergessen hatte. Er stieß sie mit einer unauffälligen Bewegung unter das Bett.
Nachwort
S o frei diese Erzählung mit historischen Fakten zuweilen umgeht, so beruht sie doch im Kern auf einer wahren Begebenheit. Ein anonymer Reisender beschreibt in seinem Tagebuch eine turbulente Schikaneder-Aufführung der ›Agnes Bernauer< im Jahr 1780, bei der das Publikum eine Änderung des Stückes erzwang. Auch die zeitgenössische Berliner ›Litteratur- und Theaterzeitung< berichtete darüber.
Ein erstes Treffen zwischen Emanuel Schikaneder und Wolfgang Amadeus Mozart ist für dieses Jahr ebenfalls gesichert. Die hier geschilderten Umstände entsprechen zwar meiner Phantasie, aber immerhin lässt sich für die entsprechende Jahreszeit eine Reise Mozarts in die Reichenhaller Gegend nachweisen.
Ebenfalls keine Spekulation ist die Nähe dieser beiden Künstler zum radikal-aufklärerischen Geheimbund der ›Illuminaten< (die Lage des im Roman beschriebenen ›Ägyptischen Hains< und der für Zusammenkünfte benutzten Grotte ist Eingeweihten bekannt). Aus dieser Tatsache ergibt sich die Erkenntnis, welch hochriskante Unternehmung die heute meist als genialisch-skurrile ›Zauberoper< missverstandene ›Zauberflöte< gewesen sein muss, deren inhaltliches Konzept Schikaneder und Mozart gemeinsam entwarfen. Sie erklärt auch, dass es zu ihrer Entstehung nahezu kein einziges schriftliches Dokument mehr gibt: Aus Angst vor politischer Verfolgung vernichteten Mozarts Vertraute noch in dessen Todesnacht die Korrespondenz zwischen ihm und Emanuel Schikaneder.Das Werk Emanuel Schikaneders (* 1751 in Straubing, † 1812 in Wien) ist, bei aller Widersprüchlichkeit in Inhalt und Qualität, vor dem Hintergrund des erbitterten Ringens zwischen der europäischen Aufklärung und den beharrenden klerikal-absolutistischen Mächten zu verstehen. Das Aufbegehren der unteren Stände lag bereits 1780 in der Luft; nur neun Jahre später sollte es in die Französische Revolution münden. Den ›Illuminaten‹ stellte sich der – vor kriminellen Methoden nicht zurückschreckende – okkult-katholische Bund der ›Rosenkreuzer‹ entgegen, und bereits einen Tag nach Mozarts Tod setzte eine brutale Verfolgung freiheitlich gesinnter Politiker, Künstler und Philosophen ein. Nahezu alle Mitglieder der Loge, der Vater und Sohn Mozart und Schikaneder angehörten, wurden ruiniert oder starben im Kerker. Die Spekulationen um die skandalösen Umstände der Mozartschen Beerdigung, ja sogar um dessen möglicherweise gewaltsamen Tod erhalten damit durchaus neue Nahrung.
Auch Emanuel Schikaneder hatte unter Aufführungsverboten zu leiden. Doch ihn dürfte geschützt haben, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits einer der beliebtesten und erfolgreichsten Theatermacher gewesen ist, vom Wiener Publikum geradezu vergöttert. Tagespolitische Kommentare waren zudem seine Sache nicht, und das ›Revolutionäre‹
Weitere Kostenlose Bücher