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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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sich. Das Gemurmel erstarb, eine atemlose Stille senkte sich über den Spielort. Alle Blicke richteten sich auf den Vorhang auf der linken Seite des Steges.
    Eine Fanfare intonierte ein klagendes Signal. Der Vorhang wurde von unsichtbaren Händen zurückgezogen. Zwei Ritter traten hervor und bezogen Stellung an beiden Seiten des Stegaufgangs. Dann erschien die Heldin. Obwohl Demoisell Bichler jetzt ein graulinnenes Sünderinnenkleid trug, wirkte sie mit ihrer schulterlangen, wallenden Blondperücke wie eine Heilige. Ein vielstimmiges Ah! und Oh! ertönte aus dem Publikum.
    Es kippte augenblicklich in wütendes Geschrei, als hinter ihr der Vicedom auftauchte, die Bernauerin mit einem Stoß vorantreibend. Für Sekunden stockte der Lärm, als die Zuschauer registrierten, dass unter der Perücke des Richters nun ein anderer Schauspieler zu sehen war – der Direkteur persönlich. Sofort erhob sich der Tumult von neuem.
    »Wohin? Wohin?«, jammerte die Bernauerin herzerweichend. »Gute Baiern! Eures Herzogs Albrecht Frau!«
    »Verhaltet Ihr den Mund«, rief der Vicedom.
    Die Zuschauer hielt es nicht mehr auf den Sitzen.
    »Halt du den deinen, du Mörder!«
    »Dass dich der Blitz erschlag!«
    »So eine Schand!«
    Schikaneder trat mutig an den Bühnenrand.
    »Eine Hexe ists, die man verbrennen sollte! Eine Närrin!«Ein junger Mann sprang auf.
    »Dich sollt eins verbrennen!«
    »Ja!«, rief ein anderer, »ein Richter möchst du sein? Du Mörder, du!«
    Bartholomäus rannte nach vorne, packte die beiden und schob sie wieder auf ihre Sitze zurück. Das Getöse wurde ohrenbetäubend.
    »Millner! «, keuchte Bartholomäus.
    »Zugrund mit dem Verbrecher!«
    »Zugrund! Zugrund! Zugrund!«, skandierten die Zuschauer. Vester formte die Hände zu einem Trichter:
    »Mit der Richtersau! Mit dem Paccolihund ! «
    »Jaa! Stechts ihn ab!«, tönte es von der anderen Seite des Halbrunds.
    Eine junge Frau sprang auf. Bartholomäus fing sie vor dem Steg ab. Sie strampelte wie eine Närrische, kratzte und biss in seine Schulter.
    »So hilft der Bernauerin doch einer!«, kreischte sie.
    Tamerl hielt es nicht mehr aus. Er machte einen Schritt nach vorne. Vester riss ihn zurück.
    »Aber er wills doch ins Wasser schmei–!«
    »Ist doch ein Theater, du Narr!«
    »Bist du blind? Der Fluss ist echt! Die Frau ist echt! Alles ist echt!«
    Vester zog ihn nahe an sich heran und zischte in sein Ohr: »Die tauchens schon wieder raus, Herrgott! Wir schlagen erst los, wenn er sie reingeschmissen hat!«
    »Aber –«
    »Auf deinen Platz! Es muss bald soweit sein!«
    Millner und Aloys waren Bartholomäus zu Hilfe geeilt. Einen Speer an beiden Seiten haltend, sperrten sie den Zugang zum Steg ab. Je weiter Schikaneder die ergeben leidende Agnes Bernauerin gegen das Ende des Stegs führte, desto mehr wurde der Spielort zu einem Hexenkessel. Niemanden hielt es mehr auf seinem Sitz, Kinder weinten bitterlich. Schon kam Bartholomäusin Bedrängnis. Fausthiebe und Fußtritte prasselten auf ihn hernieder. Er wurde wütend und streckte den Vordersten mit einem Kinnhaken zu Boden. Caselli eilte mit gezogenem Schwert herbei.
    »Albrecht! – Gott! – Barmherzigkeit!«, gellte die Bernauerin hinter ihnen über den Tumult. Sie sank auf die Knie und hob die gefesselten Hände bittend in die Höhe.
    »Manü!«, presste sie durch die Zähne. »Die Rosina, das Luder, hat die Kordel zu fest gebunden! Ich kriegs nicht auf!«
    »Muss ich mich um jede Kleinigkeit selber kümmern?!«, zischte Schikaneder zurück.
    »Aber so ersauf ich!«
    Schikaneder hörte dies alles nicht mehr. Der höllische Lärm war wie eine riesige Woge über ihn hereingebrochen, betäubte seine Ohren, machte ihn besoffen. Mit fliegenden Blicken sah er zurück. Caselli lag längst niedergerungen am Boden und kämpfte mit seiner verbogenen Rüstung. Wo Bartholomäus, Millner und Aloys sich zuvor postiert hatten, war nur noch ein Knäuel verbissen kämpfender Leiber zu sehen. Die Zuschauer drängten immer näher zum Steg, boxten, traten um sich. Die Musiker hatten ihre Instrumente fallen gelassen und sich in das Getümmel geworfen.
    Demoisell Bichler schrie entsetzt auf.
    »Manü! !«
    Jetzt sah auch Schikaneder den jungen Mann, der mit einem Satz auf den Steg gesprungen war. Er hielt ein Messer in der Hand. Sein bleiches Jungengesicht mit den weit aufgerissenen Augen zeigte keine Mordlust, sondern blanke Not. Keinen Tag würde er mit dem Selbstvorwurf leben können, untätig mit angesehen zu haben, dass

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