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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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Schikaneder einen Einsturz des hölzernen Theaterbaus befürchtete. Eine Panik hatte es unter den Zuschauern ausgelöst, als er die Furien aus ›Orpheus und Euridice‹ mit brennenden Kappen auf die Bühne schickte. Der Prinzipal hatte auf die Bühne rennen, einer der Tänzerinnen den Blechhut abnehmen und dem staunenden Publikum demonstrieren müssen, dass es ein winziger, in Spiritus getränkter Schwamm war, der diesen nie gesehenen Effekt erzeugt hatte. Tobender Applaus hatte ihn belohnt, und erst nach geraumer Zeit konnte die Vorstellung fortgesetzt werden.
    Dass er es einmal gewagt hatte, ›Romeo und Julia‹ mit einem Happy End zu versehen, hatte einen Skandal verursacht, heftiger, als er ihn von den behäbigen Schwaben erwartet hätte. Doch danach war die Schikanederische Gesellschaft für Wochen einziges Stadtgespräch. Aus purer Neugier drängten die Augsburger an die Kasse und prügelten sich um Karten.
    Schikaneders Rezept hatte sich bestens bewährt: Hanswurstiaden und Possen für das schlichte Volk, Komödien und Singspielefür die Lachsüchtigen, Lessing, Wieland und Shakespeare für diejenigen, die auf Bildung hielten, Ballett und Erbauliches für die naserümpfenden Feingeister. Gelegentlich geriet ein sauertöpfischer Schwarzrock außer sich, weil nach seiner Beobachtung bei dieser oder jener Szene zu viel nackte Wade zu sehen gewesen wäre. Machte er aber den Fehler, dies während der Vorstellung zu äußern, musste er einen Orkan der Empörung, versetzt mit unflätigstem Protest und matschigen Wurfgeschossen, über sich ergehen lassen.
    Was also diesen die Seele wärmenden Erfolg betraf, konnte Emanuel Schikaneder nicht klagen. Aber ärgerlich war gewesen, dass nicht allein das sensationslüsterne und leicht verführbare Stadtvolk, sondern auch die Deputierten des Augsburger Magistrats augenscheinlich von einer plötzlichen Theaterleidenschaft ergriffen wurden. Ungerührt auf hiesige, angeblich seit jeher gültige Gepflogenheiten verweisend, orderten sie Abend für Abend eine größere Menge von Freibillets. Sie verteilten sie großzügig an Ehefrauen, Schwiegerleute, Geschäftspartner und Mätressen, nahmen dreist die besten Plätze in Beschlag und beschwatzten den Prinzipal dafür anschließend mit Ratschlägen, wie sein Programm zu verbessern wäre. Schikaneder musste sich zähneknirschend fügen. Zu laut durfte er nicht murren. Die Konkurrenz war groß, und es war der Magistrat, der es in der Hand hatte, ob er im nächsten Jahr mit seiner Wandertruppe wieder hier gastieren durfte. Also ließ er es dabei, flocht lediglich mit der betrübten Miene seines Hamlet Klagen über die hohen Kosten eines anspruchsvollen Theaters in die Gespräche. Er erntete verständnisvolle Seufzer, mehr nicht.
    Natürlich hatte dies der Bilanz nicht gut getan. Auch zwangen ihn in dieser Saison gewisse Umstände, etwas höhere Privatentnahmen anzusetzen. Demoisell Fanny, die erst im Frühjahr zum Ensemble gestoßen war – ein üppiges, stets wohlgelauntes und in jeder Beziehung verspieltes Ding mit annehmbarem darstellerischen Ausdruck, vor allem von umwerfender Wirkung auf junges, eher klobiges Handwerksvolk im Publikum –, Fannyhatte ihm eines Abends etwas zugeflüstert, was ihm seitdem sorgenvolle Stunden bereitete. Eines war ihm augenblicklich klar: In der Stadt durfte unter keinen Umständen bekannt werden, dass der hehre Künstler Schikaneder, bejubelter Darsteller hochmoralischer Dramengestalten, seine vom Publikum nicht weniger hymnisch verehrte Gattin mit einer zweitrangigen, mäßig talentierten ›Naiven‹ betrogen hatte.
    Doch Fanny zeigte sich zu seiner Erleichterung einsichtig. Da sie praktisch veranlagt war, rechnete sie nicht damit, dass sich der Prinzipal ihr zuwenden könnte. Sie akzeptierte schließlich, mit einem braven, vor Leidenschaft nahezu erblindeten Beamten verkuppelt zu werden. Da sie aber nicht nur in Liebesdingen praktisch veranlagt war, wusste die Demoisell ziemlich gut, was der Tarif für ihr Einverständnis war. Bei seinem Versuch, sie herunterzuhandeln, hatte sie Standhaftigkeit gezeigt. Daran, dass sie mit der – vorerst nur dem eingeweihten Betrachter auffallenden – kleinen Wölbung ihres Bäuchleins die definitiv besseren Karten hatte, war nicht zu rütteln.
    Schikaneder war mit sich hart ins Gericht gegangen. Ein Idiot war er gewesen. Was hatte er erwartet? Dass er schon irgendwie davonkommen würde? Wie in Linz, in Laibach, in Nürnberg oder Regensburg? Da hatte es ihn nie

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