Der Sommer der lachenden Kühe
Vergnügungen war der finnische Sommer zu kurz, zu kalt, zu regnerisch und zu teuer.
Sorjonen half dem Bauern, die Rinder auf das nahe Feld zu treiben. Es waren zehn an der Zahl. Mäkitalo erzählte, dass sie bald das Schlachtgewicht erreicht hätten. Der Erzeugerpreis sei allerdings sehr niedrig. Er fand, es sei eine Verhöhnung der Rinder, sie mit teurem Futter großzuziehen und zu mästen, um sie dann für einen lächerlichen Gegenwert zu töten.
Beim Frühstück machte Taavetti Rytkönen Sorjonen gegenüber ein paar vorsichtige Andeutungen. Er sagte, er wolle gern eine Woche bei den Mäkitalos bleiben, sie hätten ihn gestern zu einem längeren Aufenthalt einge laden.
Das war Sorjonen sehr recht. Er freute sich richtig und sagte, er werde sofort nach Helsinki fahren, er habe dort einiges zu regeln. Ob ihm die Bäuerin wohl ein frisches Roggenbrot mitgeben könnte? Er würde es seiner Braut Irmeli Loikkanen schenken, der er bei dieser Gelegenheit einen Heiratsantrag machen wolle. Er versprach, Rytkönen in einer Woche abzuholen, wenn dieser es wünsche.
Die Bäuerin schrieb an ihre Schwester in Kälviä und teilte ihr mit, dass sie in einigen Tagen mit ihrem Mann zu ihr ziehen wolle. Sie bat Sorjonen, den Brief in Lesti järvi zur Post zu bringen. Vor seinem Aufbruch be schwor Sorjonen seinen Schützling, während der Woche möglichst im Haus zu bleiben. Er solle nicht allein im Wald herumlaufen und auf keinen Fall die Landstraße betreten. Eskapaden jeder Art solle er sich verkneifen.
Die Bauersleute versprachen, gut auf ihren Gast Acht zu geben.
»Seien Sie ganz unbesorgt, Doktor. Wir führen ein stil les Leben hier in diesem abgeschiedenen Winkel.«
Bäuerin Anna Mäkitalo packte Sorjonen selbst geba ckenes Roggenbrot, eine geräucherte Bullenkeule und fünf Liter Preiselbeeren ins Auto, gedacht als Verlo bungsgeschenke für die Braut, dazu noch als besondere Gabe ein selbst gewebtes Schultertuch.
Taavetti Rytkönen bot als sein Geschenk die alte Kaf feemühle an, er meinte, die Braut würde sich darüber bestimmt freuen. Sorjonen brachte es jedoch nicht übers Herz, diese für seine Begriffe zu wertvolle Antiqui tät anzunehmen.
Sowie Sorjonens Auto auf der Schotterstraße hinter einer Kurve verschwunden war, machten sich die Mäki talos und ihr Gast daran, die groß angelegte Zerstö rungsaktion in die Wege zu leiten. Für Rytkönen wurden ein paar alte Kleidungsstücke herausgesucht, außerdem bekam er Gummistiefel mit langem Schaft und Arbeits handschuhe.
Als Erstes wusch die Frau des Hauses das Früh stücksgeschirr nicht mehr ab, sondern öffnete die Luke des Kellers, die sich im Fußboden befand, und warf die schmutzigen Tassen und Teller hinunter. Es klirrte lustig, als das Geschirr unten zerschellte. Dann suchte Anna Mäkitalo die finnische Fahne heraus und hisste sie draußen an der Stange. Mit dieser Geste wollte sie die Feierlichkeit und Endgültigkeit des Zerstörungsent schlusses betonen. Hatte es all die Jahre auf diesem öden Hof keinen Anlass zum Flaggen gegeben, dann wenigstens jetzt, zum krönenden Abschluss.
Taavetti Rytkönen brannte vor Eifer, alles kaputtzu schlagen. Der Bauer bremste ihn jedoch und sagte, zuerst müssten die Feuerwehr und die Forstverwaltung angerufen werden. Mäkitalo teilte beiden Dienststellen mit, dass jetzt die im vergangenen Herbst zwecks Wald verbesserung genehmigte Brandrodung aktuell werde. Von seinem Hof »Glücksschmiede«, Reg. Nr. 1:250, werde in diesen Tagen Rauch aufsteigen, vielleicht die ganze Woche hindurch. Die Feuerwehr vermerkte es in ihren Karten und versprach, auch das Beobachtungs flugzeug zu informieren.
Bei der Forstverwaltung fragte man, ob der Bauer beim Brandroden professionelle Hilfe brauche. Mäkitalo sagte, er habe sachkundige freiwillige Helfer gefunden.
Nun wurde vereinbart, dass sich die Bäuerin um das Auswählen und Verpacken jener Teile des Inventars kümmerte, die nicht vernichtet werden sollten. Sie selbst würde bei der Schwester in Kälviä nicht viel brau chen, und falls ihr Mann ins Altersheim gehen wollte, dann würden ihm ein paar persönliche Kleinigkeiten reichen, das Rasierzeug, der Sonntagsanzug und die Pantoffeln. Die Bäuerin fragte, ob sie das Elchgewehr, das über dem Sofa hing, mit einpacken sollte. Der Bauer beschloss, das Gewehr zu ölen und mitsamt der Muniti on in einem Ameisennest zu verstecken. Im Herbst würde er es für die Bullenjagd brauchen.
Bauer Mäkitalo
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