Der Sommer der lachenden Kühe
Abstand von zehn Metern. Das Oberfeld sah aus, als wäre es von einem Erdbeben heimgesucht worden. Die Arbeit bean spruchte den Bauern fast den ganzen Vormittag. Als er von seiner schaurigen Arbeit auf den Hof zurückkehrte, leuchtete sein Gesicht in düsterer Vorfreude.
Man nahm eine deftige Mittagsmahlzeit zu sich. Die Bäuerin hatte bereits am Morgen einen der beiden Milchtanks mit Wasser für den Rest der Woche gefüllt, der andere Tank enthielt hausgemachtes Malzbier. Auch die Sauna war mit ausreichend Wasser bevorratet wor den.
Am Nachmittag nahm sich der Bauer das Unterfeld vor. Er öffnete den Elektrozaun für die Rinder und trieb sie in südliche Richtung bis zu den großen Moorgebie ten. Sie trabten brüllend davon. Den Elektrozaun stampfte der Bauer anschließend in den Grundschlamm des Dränagekanals, und bei der Gelegenheit trat er auch gleich die Zaunpfähle auf etwa zweihundert Metern Länge um, damit niemand sagen konnte, er hätte nicht gründlich gearbeitet.
Nun schauten sich alle zusammen die Überflutung der oberen Ländereien an. Hinter dem Damm stand das Wasser bereits mehr als einen Meter hoch, es war ein richtiges Staubecken entstanden. Mit dem Traktor öffne te Mäkitalo den am Vortag geschaffenen Damm im Bach, und an die hunderttausend Tonnen Wasser flute ten auf die Felder. Die strömenden Wassermassen rissen die Bäume mit, die in einer Ecke des Oberfeldes wuch sen, sie segelten mitsamt ihren Wurzeln weit hinunter aufs Unterfeld. Vom Traktor aus sahen sich alle das Ergebnis an. Es war großartig: Auf beiden Feldern herrschte völliges Chaos, hier und dort ragten Überreste der am Vortag verbrannten Darre oder Baumwurzeln heraus. Stellenweise waren Schlammwälle entstanden, als die Randstreifen der neu gezogenen Gräben gerissen waren und sich der Morast großflächig ausgebreitet hatte. Die schwarze Moderflut brachte die Darre des Oberfeldes zum Einsturz und riss einen halben Kilome ter vom alten Weidezaun mit sich. Aus den Heureutern und den Rechen bildete sich vor der Mündung des Ba ches, an der Grenze des Anwesens, ein Floß.
Die Zerstörung war vollkommen. Taavetti Rytkönen hätte am liebsten applaudiert, doch er beherrschte sich, als er in den Blicken des Ehepaars Andacht sah, wie sie nur ein finnischer Bauer empfinden kann, wenn er seine Felder betrachtet, egal, in welchem Zustand sie sich
befinden.
Der Damm im Bach wurde wieder geschlossen und dabei gleichzeitig erhöht. Mäkitalo schätzte, dass die Sintflut gegen Ende der Woche alttestamentarische Ausmaße annehmen werde.
Die Bäuerin hatte im Laufe des Tages das Umzugsgut zusammengepackt. Auf dem Anhänger des Traktors warteten neben Rytkönens Koffer und seiner Kaffeemüh le ein paar Kisten und Bündel. Das war alles, was das Neusiedlerehepaar Mäkitalo als Erinnerung an vierzig Jahre Arbeit von seinem Bauernhof mitnehmen wollte.
Am Abend machten sich Heikki Mäkitalo und Taavetti Rytkönen daran, den Maschinenpark des Hofes zu eliminieren. Sie beschlossen, alle Geräte, die sie nicht für die Zerstörungsaktion benötigten, zur Mündung des Baches zu fahren und sie im tiefen Sumpf zu versenken. Dorthin wanderten also ein gut erhaltener Feldhäcksler, ein Vierschaufelpflug, eine Hakmo-Egge und eine Rol lenegge, eine Sämaschine, ein Düngerstreuer sowie eine bereits ausgemusterte Mähmaschine und ein Heuwen der. Mäkitalo ärgerte sich, dass er nicht auch den ge meinschaftlichen Mähdrescher des Dorfes im Sumpf versenken konnte, denn er hatte sich seinerzeit finan ziell an der Anschaffung beteiligt.
Im Kuhstall rissen sie mit einem stabilen Haken die Wassertröge der Rinder heraus und versenkten sie an der gleichen Stelle.
Als das erledigt war, wurden die Arbeiten für diesen Tag mit dem Anzünden der von den Wassermassen umgerissenen Darre auf dem Oberfeld beendet. Die trockenen Balken brannten gut, obwohl sie völlig mit Schlamm bedeckt waren. Graublauer, nach Schlamm riechender Rauch schwebte über den verwüsteten A ckern und rief stimmungsvolle Erinnerungen an die Moorbrände wach, die man in vergangenen Jahrhunder ten in dieser flachen Landschaft Österbottens veranstal tet hatte.
Dieser arbeitsreiche Tag der Zerstörung endete feier lich mit der Sprengung des Kellers. Taavetti Rytkönen hatte eine so starke Ladung vorbereitet, dass das Dach des Kellers hinter den Kuhstall geschleudert wurde und der ganze Hof mit Steinen und Kies bedeckt war. Die überjährigen Kartoffeln und
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