Der Sommer der Lady Jane (German Edition)
haben. Victoria ist nicht dumm. Ich bin sicher, sie wird Ihren Wert erkennen.«
Aber der Doktor schüttelte nur den Kopf. »Sie müssen mir gestatten, dass ich mir mein eigenes Urteil bilde, Madam.« Er hielt kurz inne. »Sosehr ich Ihre aufrichtigen Worte auch zu schätzen weiß, wäre es vielleicht möglich, dass wir das Thema wechseln?«
Jane lächelte freundlich. »Selbstverständlich. In der Tat gibt es ein anderes Thema, zu dem ich gern Ihre Auffassung hören würde.«
»Mr Worth?«, riet der Doktor.
»Himmel noch mal«, rief Jane unwillkürlich aus. »War mein Interesse denn wirklich so offenkundig?«
»Nicht mehr als Ihre Fassungslosigkeit. Und ob er nun der Straßenräuber ist, wie alle hier vermuten …« Er zuckte die Schultern. »Ja, vielleicht. Es ist möglich, unter Umständen.«
»Sogar mit seinem Bein? Sie müssen wissen, dass er ohne Stock nicht laufen kann.«
»Ja. Er behauptet, es sei eine Verletzung, die er sich im Krieg zugezogen hat.«
»Sie sind ihm also auch schon begegnet«, stellte Jane fest. »Dann müssen Sie doch erkennen, dass er unmöglich der Räuber sein kann. Er hat außerdem gar keinen Grund, so etwas zu tun.«
»Nein, ich bin ihm noch nicht begegnet.« Den Weg zur Kutsche legten sie sehr langsam zurück, so langsam, dass sie beinahe stehen blieben. »Aber«, fuhr Doktor Berridge fort, »mein Partner Dr. Lawford hat ihn gesehen. Seinem Bericht zufolge war der Mann so freundlich wie ein durchgeprügelter Bär. Im Dorf hat er nur wenig getan, diesen Eindruck zu verändern.«
Jane wischte seine Einschätzung fort. »Hat Dr. Lawford ihn untersucht?«
»Ja, letztes Jahr, als er im Dorf aufgetaucht ist. Und zwar gegen den Willen von Mr Worth. Laut Dr. Lawford hat Mr Worth zu ihm gesagt, er könne sich seinen Rat, sich körperlich zu betätigen und viel zu schwimmen, sonst wohin … nun, dass er etwas sehr Unanständiges damit tun könne.« Er grinste verschmitzt. »Um Ihre erste Frage zu beantworten: Ja, es ist durchaus wahrscheinlich, dass seine Verletzung ihn hindert, Überfälle zu verüben. Aber erzählen Sie das mal den Leuten im Dorf, nachdem er sich alle Mühe gegeben hat, einen solch … unauslöschlichen ersten Eindruck zu hinterlassen.«
Sie hatten die Kutsche erreicht. Dr. Berridge half Jane hinein, tippte sich an den Hut und verabschiedete sich. Was gut war – denn sie musste allein sein, um über das Neue nachzudenken, das sie erfahren hatte.
Wie ungünstig traf es sich daher, dass sie nicht allein in der Kutsche war.
»Ich bin gemächlich durch das Dorf geritten, habe hier und da angehalten, und plötzlich hat Midas ein Hufeisen verloren. Also musste ich zurück und ihn beim Hufschmied lassen«, erklärte Jason und schlug sich träge mit der Reitgerte an den Stiefel. »Aber der war ins Gasthaus gegangen, nachdem der Marquis of Vessey ihm einen großzügigen Auftrag erteilt hat. Was für ein fauler Kerl. Midas wird also von seinem Lehrling beschlagen, und ich dachte, es ist doch ein Glück, dass meine Schwester so freundlich war, mir ihren Tagesablauf zu verraten, sodass ich mit ihr zusammen zum Cottage zurückfahren kann.« Er bedachte Dr. Berridge, der sich zu Fuß auf den Weg zurück ins Dorf gemacht hatte, mit einem sarkastischen Blick.
»Ihr zwei seid ja sehr vertraulich miteinander umgegangen.« Jason grinste süffisant, denn seine Sorge über den Männergeschmack seiner Schwester und ihren Hang, Unfug anzustellen, schien gerechtfertigt. »Nun«, sagte er fröhlich, »wie war dein Nachmittag?«
Die zwei Regentage, die er drinnen hatte verbringen müssen – an denen er nichts tun konnte, als eine Patience nach der anderen zu legen und Janes rasch sich leerenden Korb mit Marmelade und Brot anzustarren – hatten Byrne, wenn man es so ausdrücken wollte, einen Hauch missmutig gestimmt. Als der Himmel an diesem Morgen aufklarte, war er höchst erfreut, wieder seine morgendliche Schwimmrunde im See absolvieren zu können. Das Wasser war kalt, aber ausnahmsweise zog er keine grimmige Miene … ausnahmsweise beklagte er sich nicht über sein Bein. Er ließ es einfach nur zu, dass seine Lungen sich ausdehnten und wieder zusammenzogen, ließ seine Arme durch das Wasser schneiden und freute sich, wieder draußen sein zu können.
Er fühlte sich geradezu unverschämt gut. Sein Blut pumpte so kraftvoll durch seine Adern, dass er, als er aus dem Wasser auftauchte, kurz über eine Ausfahrt mit der Kutsche nachdachte. Dann fiel ihm jedoch ein, dass Dobbs gleich in
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