Der Sommer, der nur uns gehoerte
rief mich an, als ich auf dem Rückweg von Cousins war. Er fragte, was ich so machte, und ich sagte, ich sei gerade auf dem Weg nach Hause. Von wo, das sagte ich nicht. Es war eine Entscheidung, die ich im Bruchteil einer Sekunde traf. In dem Moment wusste ich nicht, wieso ich log. Ich wusste nur, dass ich nicht wollte, dass er es wusste.
Ich kam zu dem Schluss, dass Conrad doch recht gehabt hatte. Ilsa gehörte zu Laszlo. So hatte die Geschichte von Anfang an enden sollen. Rick war nichts anderes als ein winziges Stück ihrer Vergangenheit, ein Stück, das ihr immer kostbar sein würde, mehr aber auch nicht, denn das ist nun mal das Wesen von Geschichte. Irgendwann ist sie Geschichte.
9
Als ich von Anika zurückkam, habe ich erst einmal mein Handy angestellt. Es waren jede Menge SMS und Mails von Jeremiah eingegangen, und dauernd kamen neue. Ich kuschelte mich unter meine Bettdecke und las sie alle, jede einzelne. Dann fing ich noch mal von vorn an, und als ich fertig war, schrieb ich ihm endlich zurück: Ich brauch ein bisschen Abstand. Er schrieb zurück: OK, und das war dann auch die letzte SMS, die ich an diesem Tag von ihm erhielt. Ich schaute ständig auf mein Handy, ob irgendwas von ihm kam, aber da war nichts, und ich war enttäuscht, auch wenn ich wusste, ich hatte kein Recht dazu. Ich wollte, dass er mich in Ruhe lieÃ, und ich wollte, dass er versuchte, alles wieder gutzumachen. Aber wenn ich selbst nicht wusste, was ich wollte, wie sollte er es dann wissen?
Ich blieb in meinem Zimmer und packte meinen Kram zusammen. Ich hatte Hunger, auf meiner Essenskarte waren auch noch freie Mahlzeiten, aber ich hatte Angst, Lacie auf dem Campus über den Weg zu laufen. Oder, noch schlimmer, Jeremiah. Wenigstens hatte ich was zu tun, das war schon mal gut, auÃerdem konnte ich die Musik laut aufdrehen, ohne dass Jillian sich gleich beschwerte.
Als ich es vor Hunger nicht mehr aushielt, rief ich Taylor an und erzählte ihr alles. Sie stieà einen so lauten Schrei aus, dass ich den Hörer ein Stück vom Ohr weghalten musste. AnschlieÃend kam sie sofort rüber mit einem Bohnen-Burrito und einem Erdbeer-Banane-Smoothie. Sie konnte gar nicht mehr aufhören, den Kopf zu schütteln und über »diese Zeta-Phi-Schlampe« zu schimpfen.
»Sie war es ja nicht allein, es ist auch seine Schuld«, sagte ich zwischen zwei Bissen.
»Oh, ich weiÃ. Du wirst schon sehen. Ich werde ihm mit den Nägeln das Gesicht zerkratzen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Ich verpasse ihm solche Narben, dass kein Mädchen je wieder was mit ihm anfangen will.« Sie inspizierte ihre manikürten Nägel, als wären sie Stichwaffen. »Wenn ich morgen zu Danielle ins Nagelstudio gehe, sage ich ihr, sie soll sie ganz spitz feilen.«
Mein Herz wurde weit. Es gibt einfach Dinge, die nur eine Freundin, die man schon sein ganzes Leben lang kennt, sagen kann. Sofort ging es mir ein bisschen besser. »Du musst ihn ja nicht gleich entstellen.«
»Genau das will ich aber.« Sie hakte ihren kleinen Finger um meinen. »Gehtâs dir gut?«
Ich nickte. »Besser. Seit du da bist.«
Als ich gerade den letzten Schluck von meinem Smoothie durch den Strohhalm sog, fragte Taylor: »Glaubst du, du nimmst ihn zurück?«
Ich war überrascht und zutiefst erleichtert, dass ihre Frage völlig neutral klang. »Was würdest du tun?«, fragte ich zurück.
»Das ist ganz allein deine Sache.«
»Ich weiÃ, aber ⦠würdest du ihn zurücknehmen?«
»Unter normalen Umständen nicht. Wenn irgendein Typ mich betrügen würde, bloà weil wir eine Beziehungspause machen, wenn er eine andere auch nur angucken würde â nein. Der wäre bei mir unten durch.« Sie kaute an ihrem Strohhalm. »Aber Jeremy ist nicht irgendein Typ. Ihr beide habt eine gemeinsame Geschichte.«
»Wolltest du ihn nicht eben noch entstellen?«
»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Gerade jetzt hasse ich ihn abgrundtief. Er hat kolossalen Scheià gebaut. Trotzdem wird er nie irgendein Typ sein, nicht für dich. Das ist nun mal âne Tatsache.«
Ich sagte nichts. Aber ich wusste, sie hatte recht.
»Aber ich könnte ja wenigstens meine Verbindungsschwestern zusammentrommeln, und wir schlitzen ihm heute Abend die Reifen auf.« Sie schlug mir auf die Schulter. »Na? Wie wäre das, SüÃe?«
Sie wollte mich zum
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