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Der Sommer, der nur uns gehoerte

Titel: Der Sommer, der nur uns gehoerte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Han
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ab und sagte: »Au!«
    Conrad richtete sich auf. »Ich heb dich jetzt hoch und trag dich zur Couch.«
    Â»Nein«, protestierte ich schwach, »ich bin zu schwer für dich. Ich steh gleich auf, lass mich nur noch ein Momentchen hier liegen.«
    Conrad zog die Stirn in Falten, und ich sah ihm an, dass er gekränkt war. »Ich bin vielleicht nicht Jere, der sein eigenes Körpergewicht beim Bankdrücken schafft, aber ein Mädchen wie dich kann ich immer noch heben, Belly.«
    Ich zwinkerte. »So meinte ich das nicht. Aber ich bin schwerer, als du denkst. Du weißt schon, Freshman Fifteen und so.« Ich spürte, wie ich rot anlief, und einen Moment lang vergaß ich ganz, wie weh mir der Rücken tat und wie seltsam es war, dass er Jere erwähnt hatte. Ich war einfach nur verlegen.
    Leise sagte er: »Also, für mich siehst du aus wie immer.« Dann nahm er mich ganz sanft auf den Arm und hob mich hoch. Ich legte einen Arm um seinen Nacken, um mich festzuhalten, und sagte: »Es sind auch höchstens zehn Pfund, keine fünfzehn.«
    Â»Keine Sorge«, sagte er. »Ich halte dich.«
    Er trug mich zur Couch und setzte mich ab. »Ich besorg dir mal Schmerztabletten, davon dürfte es etwas besser werden.«
    Ich sah zu ihm hoch, und mit einem Mal war da dieser Gedanke.
    O mein Gott. Ich liebe dich immer noch.
    Ich hatte geglaubt, meine Gefühle für Conrad seien sicher weggepackt, so wie meine alten Rollschuhe oder die kleine goldene Uhr, die mein Dad mir gekauft hatte, als ich gelernt hatte, die Uhr zu lesen.
    Aber wenn man etwas vergraben hat, heißt das noch lange nicht, dass es nicht mehr existiert. Diese Gefühle waren ja immer da gewesen. Die ganze Zeit. Ich musste mich ihnen nur stellen. Conrad war Teil meiner DNA. Ich hatte braunes Haar, und ich hatte Sommersprossen, und ich würde Conrad für immer in meinem Herzen haben. Er würde einen winzigen Teil meines Herzens bewohnen, den, der dem kleinen Mädchen gehörte, das Musicals liebte, aber das war’s auch schon. Alles andere gehörte Jeremiah – mein gegenwärtiges Ich und mein zukünftiges. Das allein zählte. Nicht die Vergangenheit.
    Vielleicht galt das für jede erste Liebe. Ein kleines Stück deines Herzens gehört ihr für immer. Conrad mit zwölf, mit dreizehn, mit vierzehn, mit fünfzehn, mit sechzehn, ja sogar noch mit siebzehn. Solange ich lebte, würde ich zärtlich an ihn denken, so wie man an sein erstes Haustier denkt oder an das erste Auto, das man gesteuert hat. Alles, was einmal als Erstes kam, war wichtig. Aber ich war mir ziemlich sicher, dass das, was als Letztes kam, sogar noch wichtiger war. Und Jeremiah – er würde meine letzte Liebe sein, meine einzige, für immer.
    Â 
    Conrad und ich verbrachten den Tag zusammen und doch nicht zusammen. Er machte Feuer im Kamin, und dann setzte er sich an den Küchentisch und las, während ich mir im Fernsehen Ist das Leben nicht schön? ansah. Mittags machten wir eine Dose Tomatensuppe heiß, und zum Nachtisch gab es die restlichen Brezeln. Anschließend ging Conrad an den Strand, um eine Runde zu joggen, während ich Casablanca anschaute. Als er zurückkam, wischte ich mir gerade mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen. »Dieser Film ist so traurig«, krächzte ich.
    Conrad zog sich seinen Fleecepulli über den Kopf. »Wieso? Es gibt doch ein Happy End. Mit Laszlo ist sie viel besser dran.«
    Ich sah ihn überrascht an. »Du kennst Casablanca ?«
    Â»Natürlich. Das ist ein Klassiker.«
    Â»Aber anscheinend hast du nicht richtig aufgepasst. Rick und Ilsa sind doch füreinander bestimmt.«
    Conrad schnaubte verächtlich. »Was ist denn schon die kleine Liebesgeschichte der beiden gegen die Arbeit, die Laszlo für die Résistance leistet?«
    Ich putzte mir mit einer Papierserviette die Nase. »Für dein Alter bist du ganz schön zynisch.«
    Er verdrehte die Augen. »Und du für deins viel zu gefühlsduselig – angeblich bist du doch jetzt erwachsen.« Er ging zur Treppe.
    Â»Roboter!«, brüllte ich ihm hinterher. »Blechmann!«
    Ich hörte ihn noch lachen, bevor er die Badezimmertür hinter sich schloss.
    Am nächsten Morgen war Conrad fort. Er war gegangen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Kein Abschied, nichts. Einfach fort, wie ein Geist. Conrad, der Geist der vergangenen Weihnacht.
    Â 
    Jeremiah

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