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Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Howells
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küsste mich auf die Wange. »Intelligenz und Schönheit, Mia, du vereinst beides.« Wohl kaum. Unsicher sah ich noch einmal in den Spiegel, doch meine Tante drückte mir die Hand, und ich war dankbar dafür, dass sie bei mir war.
    »Schätzchen, du siehst phantastisch aus«, stieß meine Mutter mit ungewöhnlich wohlwollender Stimme hervor. Sie kam herein, kurz nachdem Kathleen gegangen war. »Ist das nicht aufregend?«
    Ihre Augen glänzten irgendwie ein wenig zu sehr. Bildete ich mir das nur ein oder waren sie rot gerändert? »Mom, geht’s dir gut?«
    »Einfach umwerfend!«, antwortete sie viel zu laut.
    Ich runzelte die Stirn. Seit unserer Ankunft in Wind Song warf meine Mutter mit Kommentaren wie »phantastisch« und »umwerfend« nur so um sich, doch je mehr sie übertrieb, desto weniger glaubte ich ihr, dass sie sich wirklich wohl fühlte.
    »Hast du dich schon wieder mit Dad gestritten?«, fragte ich sie ganz offen, obwohl ich wusste, dass sie mir nicht die Wahrheit sagen würde.
    »Dad und ich verstehen uns prima«, behauptete sie prompt.
    »Warum hast du dann so rote Augen?«, drängte ich, doch sie unterbrach mich mit einem ungeduldigen Wink und antwortete gereizt: »Hör auf, dir über mich Gedanken zu machen, Mia. Ich habe keinen Grund, mich aufzuregen, schon gar nicht über deinen Vater.«
    Dabei sprach die Wut aus ihrer Stimme, besonders, als sie meinen Vater erwähnte. Mehr brauchte ich gar nicht zu wissen, alles andere konnte ich mir denken. Ich hatte Mom und Dad schon eine Million Mal streiten sehen, und ihre Auseinandersetzungen liefen immer nach demselben Muster ab: Mom hackte auf Dad herum, weil er ihr nicht genügend Aufmerksamkeit schenkte und sie auf Milliarden Arten und Weisen enttäuschte. Dad ging fast nie auf ihre Vorwürfe ein, was Mom noch mehr aufbrachte. Leider konzentrierte sich meine Mutter immer auf das, was sie nicht hatte, obwohl sie den besten Ehemann von allen besaß.
    Dad hat all jene Eigenschaften, von denen keine spektakulär erscheint, aber ohne die alles zusammenbrechen würde. Chris Gordon ist verlässlich, loyal und ohne Hintergedanken. Am glücklichsten ist er, wenn er mit uns zusammen auf der Terrasse unseres Hauses zu Abend essen kann, an dem Tisch, den er selbst aus alten Scheunenbrettern gezimmert hat. Trotzdem macht er gute Miene zu bösem Spiel, wenn Mom ihn zwingt, zu einer steifen Cocktail-Party zu gehen. Weil er sie liebt.
    Aber Mom verlangte von Anfang an mehr, als Dad ihr geben konnte, und vielleicht fielen ihr in Wind Song, wo sie die glückliche Ehe von Kathleen und Rufus und all deren schicken Freunde vor Augen hatte, die Gegensätze zwischen ihr und Dad noch mehr auf.
    Vielleicht lag es aber auch an etwas anderem. Oder an jemand anderem.
    Shep Gardner. Die Vorstellung von Moms gelacktem, auf aristokratische Weise gutaussehenden »Strandfreund« alarmierte mich. Angenommen, meine Mutter durchlebte eine Art Midlife-Crisis? Und Shep ebenfalls? Bei unserer ersten Begegnung war er hin und weg von Mom gewesen, und sie redete seitdem ständig von ihm. Von einer Ehefrau hatte ich dagegen noch nichts gehört. Gab es überhaupt eine?
    Ich fühlte mich ein bisschen weich in den Knien, als ich in meine perlenbesetzten Sandalen schlüpfte. Wer weiß, ob Mom ihrem alten Freund nicht eine zweite Chance einräumte, nachdem sie ihr halbes Leben in einer Stadt verbracht hatte, in der sie sich nicht wohl fühlte, mit einem Ehemann, der niemals ihre Träume erfüllen würde.
    Ich muss schockiert und ängstlich gewirkt haben, denn Mom lenkte plötzlich ein. »Es ist wirklich alles in Ordnung, Schatz«, beruhigte sie mich mit einer sanften Stimme, wie sie normalerweise für Eva reserviert war. »Ich wünsche mir so sehr, dass du heute einen schönen Abend hast.« Sie kam zu mir, schob mir eine Korkenzieherlocke hinters Ohr und lächelte. »Und, Mia …«, fuhr sie fort.
    »Ja?«, fragte ich lächelnd. Mom und ich hatten bisher nur selten solche vertraulichen Mutter-Tochter-Augenblicke erlebt, und ich genoss diese einfache Geste, mit der sie mir das Haar zurückstrich. Ihre sanfte Stimme.
    »Vergiss nicht, den Bauch einzuziehen.«

    »Das ist ja unglaublich!«, sagte ich zu meiner Tante, als ich das Wohnzimmer betrat. Dort standen Platten mit Antipasti und Dip aus gegrillten Paprikas, ein Tablett mit Austern in der halben Schale, Salate mit gerösteten Pinienkernen und Schafskäse. Draußen wendete ein Typ Thunfischsteaks auf dem Grill und ich fragte: »Ist das einer von

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