Der Sommer der silbernen Wellen: Roman (German Edition)
Aufsichtsratsvorsitzenden und Kunsthändlern … und mir.
Noch nie hatte ich im wirklichen Leben derart glamouröse Leute gesehen. Manche trugen Punk-Chic-Outfits wie Corinne, Beth und Gen, andere waren konventioneller cool in Leggings und Tuniken oder bemalte Jeans und enge Tanktops gekleidet. Große goldene Kreolen glänzten auf ihrer gebräunten Haut und in ihren sonnenblond-gesträhnten Haaren.
Dabei wirkten alle, als hätten sie stets nur die allerbeste Ernährung erhalten (vollkommen fettfrei, möchte ich hinzufügen), die allerfeinsten Stoffe getragen und ihr Haar von Starcoiffeuren im neuesten Hommage-an-die-Achtziger-Stil geschnitten bekommen. Sie sahen jung und alt zugleich aus. Älter als ich, jedenfalls.
»Das ist meine Cousine Mia«, stellte mich Corinne betont höflich ihren Freundinnen vor, zweifellos unter dem Eindruck der letzten Predigt ihrer Mutter. »Mia, das ist Thea/Clarissa/Chloé/Tanya.«
Kamen reiche Leute mit längeren Hälsen auf die Welt als normale Menschen? Oder wuchs der Hals um zwei Zentimeter, wenn man immer nur von oben herab auf die Welt blickte? Corinnes Freunde besaßen alle Ferienhäuser in den Hamptons, in Amagansett oder Montauk, und fast alle gingen aufs College.
Sie lächelten mich an, wenn Corinne uns einander vorstellte. Einige waren so höflich, mich zu fragen, wo ich herkam und ob ich einen schönen Sommer verlebte, aber schon während meiner Antworten huschten ihre Blicke seitlich weg. Nur ein Mädchen, Stacy, eine Schönheit mit glänzender, erdbeerblonder Mähne und Sommersprossen, die so perfekt auf ihrer Nase verteilt waren, als hätte ein Stylist sie aufgetupft, bildete eine Ausnahme.
»Aus Athens, in Georgia?«, fragte sie. »Ich muss immer lachen, wenn ich das höre. Ist doch zu komisch, wie ihr im Süden eure Schnarchnester nach berühmten europäischen Städten benannt habt.« Sie schnüffelte und zog eine gezupfte Augenbraue hoch. »Paris, Texas. Na klar, Paris, in Texas? Ha, ha, ha!«
»Wo kommst du noch mal her, Stace?«, mischte sich Corinne plötzlich ein.
Stacy rümpfte ihre winzige Nase. »Cambridge«, antwortete sie unsicher.
»Cambridge, in England?«, fragte ich und konnte kaum ein Lächeln unterdrücken, als ich begriff, worauf Corinne hinauswollte.
»Nein, Cambridge, Massachusetts.« Stacys hübsches Gesicht verzog sich zu einer mürrischen Grimasse, und Corinne zwinkerte mir zu, bevor sie in der Menge verschwand. Ich wusste nicht recht, ob ich froh sein sollte, weil Corinne mir zu Hilfe geeilt war, oder niedergeschlagen, weil ich ihre Hilfe gebraucht hatte.
Als die Party so richtig im Gange war, fingen alle an zu tanzen. Die Musik war sexy und laut, Hip-Hop und Elektropop. Die D-Jane gehörte angeblich zu Gens besten Freundinnen. Corinne schlug uns mit ihren Bewegungen alle in ihren Bann und schaffte es schließlich äußerst geschickt, Aram in einen verführerischen Tanz miteinzubeziehen. Arams Freundin Ivory schmollte eine Weile im Hintergrund, bis sie sich schließlich trollte.
Es war, als sähe man eine Naturkundesendung über Säugetiere an der Spitze der Nahrungskette. Corinne und Aram waren die Löwen, die das Rudel anführten. Gen war die Geierin, die in ihrer schwarzen Kleidung über allem kreiste, offensichtlich bereit, ihre manikürten Krallen in jeden ahnungslosen, angepassten Collegeheini zu schlagen, der versehentlich in ihre Richtung lächelte.
Und das hässliche Entlein schaut aus dem Abseits zu, piesackte ich mich selbst, nachdem ich festgestellt hatte, dass ich eine geschlagene Stunde lang so stumm geblieben war wie einer von Tante Kathleens Topffarnen neben dem Bücherbord. Ich fühlte mich auffällig unauffällig. Also holte ich tief Luft, marschierte hinüber zu Gen und bat sie um ein Glas von dem, was sie gerade trank.
Gen grinste. Sie hatte die Arme um einen gebräunten Typen geschlungen, der Wodka direkt aus der Flasche soff. »Das ist Justin«, erklärte sie mir, »ich verliebe mich gerade in ihn.« Dabei fuhr sie ihm mit der Fingerspitze über die Wange.
»Ich bin Eric«, verbesserte sie der Typ. »Das da drüben ist Justin.« Er zeigte auf einen anderen Jungen, der seinen Cocktail hob.
»Ist doch egal, Justin oder nicht«, lallte Gen fröhlich. »Schenk mir einfach noch einen ein!«
Gen musterte mich mit verschlagenem, amüsiertem Blick, als sie mir ein Glas reichte. »Prost!«
Unter Gens Blicken, ja, unter den Blicken aller kippte ich den Drink in einem Zug hinunter. Ich fühlte mich wie auf einer
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