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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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Höhle, seinen verschwitzten Händen, auch wenn ich vor Scham im Boden versank.
    »Fèlix!«, rief Joana.
    »Ja«, sagte Inés, »Pater Fèlix.«
Ich klopfte an die Tür und trat in sein Zimmer. Fast ohne dass ich es merkte, kamen mir die Tränen. Und dannweinte ich richtig, so heftig ich konnte. Ich weinte so sehr, dass meine Worte nicht zu verstehen waren. Er schloss die Tür und sagte: Beruhige dich, beruhig dich doch, erst weinst du, und dann erzählst du mir alles, ja? Weinen tut gut. Wenn die Tränen aufhören, sprechen wir. Mir kam es vor, als wollten die Tränen nie mehr aufhören, als wäre mein Magen ein Knoten von schwarzen Wolken, aus denen es unablässig regnete. Aber irgendwann löste sich der Knoten, die Tränen hörten auf, und ich konnte sprechen. Ich erzählte ihm alles, und jedes Mal, wenn ich mich ein wenig bewegte, knarrte der alte Holzstuhl. Er hörte mir zu, ohne mich zu unterbrechen, stellte nur mal eine Frage, wenn ich zögerte. Er fragte, ob er sonst noch etwas getan hätte, ob er sein Ding in mich gesteckt hätte, aber ich sagte nein. Er machte ein erleichtertes Gesicht. Und auf einmal schämte ich mich nicht mehr, ich wollte nur noch weinen, wollte nur alles erzählen. Wollte, dass die ganze Welt wusste, dass ich seine Puppe gewesen war. Als ich fertig war, hatte ich das Gefühl, dass nichts mehr in mir drin war, nur eine plötzliche Angst vor dem, was jetzt passieren würde.
Aber nichts ist passiert. Das heißt, doch, der Pfarrer sagte nämlich, ich solle mich beruhigen, er würde sich um alles kümmern, ich solle das Ganze vergessen. Erzähl es sonst keinem, sagte er. Die Leute werden denken, du hättest alles nur erfunden. Überlass es mir.
Das ist jetzt drei Tage her. Der Privatunterricht ist zu Ende, und wenn ich ihm auf dem Gang begegne, sieht er mich nicht einmal an. Er ist böse auf mich, das weiß ich. Ich weiß, dass ich die Regeln, die für gute Puppen gelten, missachtet habe. Die vorletzte Kindergruppe ist schon abgereist. Er ist auch gefahren, aber in ein paar Tagen kommt er zurück. Ich will nicht hier sein, will ihn nicht sehen. Ichwill verschwinden. Hingehen, wo niemand mich findet. Und für immer schlafen.
    Es klingelte an der Tür, alle fuhren auf. Joana ging öffnen, und Leire legte den Arm um Inés, die die Blätter hatte sinken lassen und ihre Tränen nicht länger zurückhielt.
    Mit der Person, die Joana hereinführte, hätten sie als Allerletztes gerechnet: Pater Fèlix Castells.

38
    Leire hielt Inés weiter umarmt. Die junge Frau schluchzte, fast lautlos. Als Fèlix durch die Tür trat, flogen alle Blicke zu ihm. Doch Joana war es, die das Wort ergriff, und sie fragte klar und deutlich:
    »Du warst erleichtert, als sie dir sagte, dass er nicht in sie eingedrungen ist? Stimmt das, Fèlix?«
    Er sah sie an, ohne zu antworten.
    »Und hast nichts unternommen?« Es war eine wütende Anklage. »Gar nichts? Das Mädchen hat dir erzählt, was dieses Arschloch ihr angetan hat, und du dachtest, es sei nicht weiter schlimm, bloß weil er sie nicht vergewaltigt hat? Und hast ihn nicht einmal angezeigt, als das Kind im Schwimmbecken ertrunken ist?«
    Héctor nahm die Blätter, die Inés auf dem Tisch abgelegt hatte.
    »Das sollten Sie lesen, Pater. Und wenn es Gott wirklich gibt, hoffe ich, dass er Ihnen vergibt.«
    Fèlix senkte den Kopf. Er schien unfähig, sich zu verteidigen oder auch nur ein Wort zu seiner Ehrenrettung zu sagen. Er setzte sich nicht. Er blieb stehen vor diesem Ad-hoc-Tribunal.
    »Geben Sie ihm nicht alle Schuld«, flüsterte Inés. Sie schob Leire sanft von sich und sah den Priester an. »Was er getan hat, war nicht gut, aber er hat es nicht nur für ihn getan. Es war auch zu meinem Schutz.«
    »Inés ...«
    »Nein! Seit Jahren trage ich es mit mir herum und fühle mich schuldig. Glaube, ich sei Iris etwas schuldig, und halte sie am Leben, wenn auch nur symbolisch ... Bis Weihnachten,als ich das hier fand und die ganze Geschichte erfuhr. Ich habe es Marc gezeigt, in Dublin, und er hat genauso reagiert wie Sie jetzt. Angewidert, wütend, wollte nur noch die Wahrheit wissen. Aber einen Teil dieser Wahrheit, den habe ich mich nicht getraut, ihm zu erzählen. Ich habe zugelassen, dass er seinen Onkel hasst und einen Racheplan schmiedet. Er sollte ihm verraten, was er wissen wollte.« Sie schnappte nach Luft, bevor sie weitersprach. »Aber die Wahrheit ist, dass ich an dem Morgen in aller Frühe Schritte im Haus hörte. Ich war in Mamas Bett und konnte nicht

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