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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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einfach. Sie war wahnsinnig eifersüchtig auf das Mädchen aus Dublin, und ich habe ihr auch ordentlich zugesetzt. Außerdem war Gina ein sehr sensibles Mädchen.« Er lächelte. »Zu sensibel ... Der Anblick der Fotos hat sie entsetzt. Marc hatte sie auf den Stick geladen, damit er sie von seinem Rechner löschen konnte. Auf meine Bitte hin hat Gina ihm klargemacht, dass es besser wäre, wenn sie ihn bei sichzuhause aufbewahrt, bis er die Gelegenheit hatte, an den Computer von Fèlix zu kommen.«
    »Und die Gelegenheit ergab sich während der Feiertage«, sagte Leire, die sich daran erinnerte, dass Fèlix in der Johannisnacht mit dem Rest seiner Familie in Collbató geblieben war. »Aber Gina hat den Stick zur Party nicht mitgebracht, und Marc war sauer.« Sie betrat nun sicheren Boden, dank dem Bericht von Rubén, so dass sie weitersprach: »Er war sauer auf dich und auf sie, und am Ende hat er die Drogen weggeworfen, die du dabeihattest und verkaufen wolltest. Die Drogen, die du natürlich noch bezahlen musst. Du hast versucht, ihn daran zu hindern, und ihn geschlagen. Das T-Shirt, das er anhatte, war blutig. Deshalb hat er sich ein anderes angezogen.«
    »Mehr oder weniger ...«
    »Du sagst, du wärst gegangen, und dein Bruder bestätigt es, aber das Alibi ist jetzt nicht mehr allzu glaubwürdig, meinst du nicht auch?«
    Er beugte sich über den Tisch.
    »Das ist die Wahrheit! Ich bin nachhause gegangen. Edu war da. Aber ich habe ihm nichts gesagt. Mein Gott, gestern Abend habe ich es ihm nur erzählt, weil ich Geld brauche, um diese Typen zu bezahlen. Ich hätte ihm sonst nie was gesagt. Er ist ... mein Bruder.«
    Leire schaute zu Héctor. Der Junge schien die Wahrheit zu sagen. Salgado tat, als ignorierte er den Blick seiner Kollegin, und rutschte an die Ecke des Tisches.
    »Aleix, ich verstehe wirklich nicht, wie ein so schlauer Junge einen so dummen Fehler machen kann. Wie konntest du zulassen, dass Gina den Stick behält? Du hattest doch alles unter Kontrolle. Und du wusstest, dass man ihr nicht trauen konnte ...«
    »Das habe ich nicht!«, rief er. »Noch an dem Tag, als Sieda waren, um Gina zu vernehmen, habe ich sie um den Stick gebeten. Aber sie hat ihn verwechselt und mir einen falschen gegeben. Wissen Sie was? Ja, ich bin schlauer als die Polizei. Haben Sie die Abschrift der Selbstmordnachricht von Gina zur Hand? Erinnern Sie sich? So etwas hätte Gina nie geschrieben! Nie und nimmer hätte sie ein Wort falsch geschrieben oder ein Komma ausgelassen. Ihr Schriftstellervater hasst so etwas.«
    Héctor fixierte Aleix, sagte aber nichts. Seine Aufmerksamkeit wanderte nun zu seiner Kollegin, die fragte:
    »Und was war auf dem Stick, den Gina dir gegeben hat, Aleix?«
    »Ihre Aufzeichnungen in Kunstgeschichte. Ist doch scheißegal.«
    Leire lehnte sich zurück. Wie ein Hintergrundrauschen hörte sie Héctor den Zeugen weiter vernehmen, auch wenn sie längst wusste, dass es nichts brachte. Dass Aleix Marc nicht getötet hatte und Gina erst recht nicht. Er war ein Arschloch und hatte es verdient, dass die Dealer ihm die Fresse polierten, aber ein Mörder war er nicht. Und sein Bruder, dieser pädophile Gutmensch, auch nicht.
    Ohne ein Wort verließ sie das Zimmer und machte einen Anruf. Sie brauchte nicht mehr: nur eine Bestätigung durch Regina Ballester, die Mutter von Gina Martí.

40
    Während er im Wohnzimmer der Castells auf dem weißen Sofa saß und darauf wartete, dass Glòria das Mädchen fertig badete und zu ihnen herunterkam, sagte sich Héctor, dass das Haus dieselbe Ruhe ausstrahlte, die er schon beim letzten Mal bemerkt hatte. Doch so elegant die Einrichtung auch war, so sanft die Musik, die durch den Raum schwebte, Héctor wusste jetzt, dass alles bloß Kulisse war. Ein falscher Friede.
    Mit Leire hatte er hin und her überlegt, wie sie den nächsten Schritt angehen sollten. Und aufmerksam hörte er den Argumenten seiner Kollegin zu, die in allen Punkten eine einzige Schlussfolgerung nahelegten. Doch als sie es zu Ende gedacht hatten, als der Name der Person, die Marc und wahrscheinlich auch Gina getötet hatte, für beide klar war, musste Héctor daran denken, was er zu Joana gesagt hatte: »Es könnte sein, dass dieser Fall niemals aufgeklärt wird.« Denn auch wenn ihnen die Wahrheit vor Augen stand, war die Beweislage sehr dünn. So dünn, dass er nur darauf vertrauen konnte, dass die Anspannung und die Angst stärker waren als Geistesgegenwart und Kaltblütigkeit. Schließlich hatte er sich

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