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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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kann es mir jedenfalls nicht vorstellen. Und jetzt los. Wir müssen hier weg.«
    »Ja, ich möchte ganz weit weg. Wir müssen abhauen. Wir könnten einen Wagen klauen, vielleicht bis nach St. Cloud kommen …«
    »Ich muß unbedingt auf David warten. Wenn ich nicht da bin, wird er nicht wissen, was passiert ist. Komm jetzt.«
    Sie sprang hoch und faßte nach dem Fenstersims. Dann zog sie sich hoch und half Herc heraufzuklettern. Mit dem Einhängen des Fensters hielt sie sich nicht auf.
    »Du kannst bei mir bleiben«, bot sie ihm an.
    »N-n-nein«, äußerte er und lief über den Rasen zum Windschutz und dann weiter zu den Weiden am Bachufer.
    Katie lief ins Haus, suchte schnell Essen, Wasser und ein wenig Schnaps zur Beruhigung des Magens zusammen. Sie stürmte hinauf und schloß sich in ihrem Zimmer ein. Ihre Entdeckung hatte sie in einen Zustand nervöser Unruhe versetzt. Dazu kam die Angst vor dem, was sie noch nicht wußte. Welche Bedeutung hatten die drei Todesfälle? Warum hatten die Erinnerungen ihrer Mutter sie überfallen?
    Hatte Mamas Schlaganfall natürliche Ursachen? Oder hatte man sie bereits früher so erschreckt? Und aus welchem Grund? Um mich nach Hause zu holen? Wenn Mama auf der Stelle gestorben wäre, wäre ich auch gekommen.
    Man hätte mich mittlerweile schon längst töten können. Wollte man das nicht?
    Und die Kiste im Keller? Ist die etwa für mich bestimmt?
    Oder wartet man nur den richtigen Zeitpunkt ab?
    Auf alle diese Fragen wußte sie keine Antwort. Sie wußte nur, daß noch nicht zu Ende war, was immer sich hier abspielte.
    Aber was immer geschehen wird, mir soll nichts passieren, schwor Katie mit trotziger Entschlossenheit und vergewisserte sich, daß die Tür richtig abgeschlossen war.
    Da hörte sie einen scharfen Knall vom Bach her. Der Knall unterschied sich deutlich von Papas Arbeitsgeräuschen an der Scheune. Zweimal knallte es. Die Geräusche waren wie Aufschreie, wie das letzte Knallen einer tödlichen Peitsche.
    Katie ahnte, was sich abgespielt hatte. Sie hatten Hercules Rasmussen erwischt.

 
Dienstagabend
     
     
I
     
    »Katherine?«
    Klar und scharf drang das Wort durch das Summen in ihrem Kopf. Die große Uhr auf dem Flur tickte abgehackt ähnlich den Schritten auf der Treppe.
    »Katherine?«
    »Ich bin hier drinnen, Papa«, sagte sie mit bebender Stimme.
    »Was? Alles in Ordnung?«
    »Ich … ich denke schon.«
    Sie stand in einiger Entfernung von der Tür. Ihr Vater drückte die Klinke nieder.
    »Eingeschlossen?«
    »Ach, ich muß irrtümlich zugesperrt haben«, log sie tapfer.
    Sogar seine Atemzüge erregten ihren Argwohn.
    »Was ist denn? Fühlst du dich nicht wohl?«
    »Doch … ja. Ich bin ziemlich müde … und aufgeregt. Ich möchte mich hinlegen, bis David kommt.«
    Sie hörte seine Atemzüge. Er sagte zunächst nichts. Dann: »Möchtest du nicht zu Abend essen? Es ist fast sechs Uhr.«
    »Nein, nein, schon gut. Ich bin nicht hungrig. Ich … ich warte hier, bis David kommt.«
    Wo steckte er nur? Warum war er nicht schon da?
    Der Hunger war tatsächlich kein Problem, weil sie sich versorgt hatte. Bis jetzt hatte sie nichts angerührt, bis auf einen Schluck Alkohol.
    »An deiner Stelle würde ich nicht zu bald mit David rechnen«, sagte Papa. »Sieht mir nach Gewitter aus. Wenn es stark regnet, wird er nur langsam vorwärtskommen.«
    Nein, nicht das auch noch!
    »Soll Doc Bates kommen? Dich mal ansehen?«
    »Nein, nein. Mir fehlt nichts.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher«, sagte sie und redete die Türklinke an, als hätte diese ein Eigenleben.
    Draußen auf dem Flur wurde es still. Die Uhr vertickte die Zeit.
    »Kopf hoch«, sagte Papa schließlich. »Ruhe dich aus. Ich mache mir selbst etwas zu essen. Noch etwas, Katie, ich werde unten eine Weile hämmern. Ich schließe das Telefon an.«
    Jetzt? Jetzt, auf dem Höhepunkt dieser grauenhaften Ereignisse schloß er das Telefon an!
    Verängstigt und verwirrt, traurig und ungläubig hätte sie trotz ihrer mißlichen Lage am liebsten laut losgelacht.

 
II
     
     
    Das Gewitter braute sich von Westen her zusammen und verdunkelte die Sonne. Katie sah es kommen: schwarze Wolkenbänke breiteten sich hinter den stolz aufgetürmten Gewitterwolken aus, die purpurn näher trieben. Der Wind frischte plötzlich auf, bewegte das Laub und ließ die Blätter ihre hellen, geäderten Unterseiten zeigen. David war noch immer nicht gekommen.
    Katies Ängste wuchsen, und sie bemühte sich krampfhaft, sie nicht bis zum nackten Grauen

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