Der Sommer der Toten
Behälter.
Ein Mensch hätte darin Platz gefunden, wenn er sich nicht zuviel bewegte.
Und er war halbgefüllt mit schwarzer Erde.
»Guter Gott …«, wimmerte Herc, »was geht hier vor? Und die anderen wissen jetzt, daß ich es weiß. Man wird mich sicher schon suchen …«
»Ruhig jetzt!« hörte Katie sich sagen. Irgendwie – sie wußten gar nicht wie – waren sie wieder zu ihrem Einstiegsfenster gelangt. Hatte Papa die Tür verschlossen, um das hier zu verbergen? Seltsam, und auch bedrohlich, aber ohne erkennbaren Sinn. Noch einmal, diesmal abschließend, ließ Katie den Strahl der Taschenlampe durch den Keller gleiten. Und diesmal entdeckte sie neben dem alten schmutzigweißen Heißwasserkessel etwas anderes. Den Drahtkäfig aus dem Schuppen, den sie dort an dem Tag gesehen hatte, als Butch sie überfiel. Sie ging näher. Die Drähte waren nicht mehr verbogen. Also war auch der Käfig ausgebessert worden. Und neben dem Käfig stand drüben an der Heizung, wo er eigentlich hingehört, der Ascheneimer. Eigentlich ein Abfalleimer mit daran befestigtem Deckel gegen den Aschenstaub.
Sie hob den Deckel und wäre vor Abscheu und Ekel beinahe in Ohnmacht gefallen: Der Gestank verfaulten Fleisches drang ihr entgegen. Es war ein verwesender schwarzer Vogel, vermutlich eine Krähe. Und daneben im Eimer ein zweiter toter Vogel, eine noch nicht verweste kleine Amsel. Katie ließ den Deckel zufallen, aber nicht, ehe Hercules einen Blick hineintun konnte und einen Hauch abbekam.
Er verdrückte sich in die Ecke und übergab sich.
Gleichzeitig aber gewann Katies Denkvermögen die Oberhand über ihren Magen und fügte alle Einzelheiten zu einem Ganzen zusammen.
Papa mußte als erstes die Krähe in dem trickreichen Vogelhaus gefangen und sie dann hier im Keller gehalten haben mit der Absicht, Mama zu Tode zu erschrecken, und das im wahrsten Sinne des Wortes. In der ersten Nacht nach Katies Heimkehr hatte der Vogel sich aus dem Käfig befreit – Krähen sind eine besonders robuste Gattung – und verängstigt Zuflucht im offenen Feuerloch der Heizung gesucht. Von hier aus war das Tier immer weiter in die Röhren hineingeraten. Papa war in den Keller gegangen, um die Krähe zu fangen. Er hatte sie tatsächlich erwischt und sie getötet. Daher auch das Blut an seiner Hand. Danach hatte er einen anderen Vogel fangen müssen, nämlich die Amsel. Und als er Mama damit in den Tod getrieben hatte, mußte er dem Vogel den Hals umdrehen. Daher das Schleifen, das Geflatter. Das war es auch, was Mama ihr mit den Blicken zu verstehen geben wollte, indem sie mit den Augen die Zimmerdecke abtastete. Und sie hatte einfach nicht begreifen können!
»Hast du Angst vor Papa?«
»Ja« und auch »Nein«. Beides traf zu, da es ja eigentlich der Vogel war, der ihr Angst einjagte. Die Frage war nicht präzise genug gestellt worden. Sie verlangte zwei Antworten. Hätten sie das bloß geahnt!
Hercules stand noch immer vornübergebeugt in der Ecke und erbrach sich.
Katie hingegen hatte ihre Übelkeit vergessen. In wenigen Sekunden hatte sie blitzartig alles – vielmehr beinahe alles – erfaßt.
Aggie hatte gewußt, worum es ging.
Und jemand hatte sie deswegen getötet.
Und Butch Ronsky, den man zu dem Mord an Aggie trieb oder ihm das Verbrechen unterschob, war getötet worden, damit David – oder wer immer daran Interesse haben könnte – keine weiteren Ermittlungen anstellte.
Und die häßliche Wunde an Butchs Schläfe? Hatte man ihn niedergeschlagen und als »Tatverdächtigen« in Aggies Haus gelegt, damit Katie über ihn stolperte?
Hatte Papa gewußt, daß sie an jenem Abend zu Aggie gegangen war?
War auch das irgendwie gelenkt oder eingefädelt worden?
Und warum?
Aber David würde den Dingen gewiß auf den Grund gehen, daran glaubte sie noch immer fest. Doch da fiel ihr ein, was ihr Vater gesagt hatte: »Wenn David nicht wäre …«
Ein Schauder überlief sie. Die Übelkeit machte sich von neuem bemerkbar. Katie schaltete die Taschenlampe aus. Stille. Das Gehämmer bei der Scheune war verstummt. Papa war womöglich jetzt schon auf dem Weg zum Haus. Katie wurde unruhig.
Hercules lehnte schweratmend an der Wand.
»Und jetzt nichts wie raus«, stieß sie hervor.
»Wohin denn?« keuchte er.
»Ich laufe hinauf und schließe mich in meinem Zimmer ein, bis David kommt. Das kann nicht mehr lange dauern.«
»Und ich?« äußerte er flehentlich.
»Du kannst ja bei mir bleiben.«
»Dein Vater …«
»Der wird dir nichts tun. Ich
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