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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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nicht ordentlich, und wenn sie getan hatten, was sie nun vermutete – sie überlegte kühl und gestattete sich keine weiteren Spekulationen –, ja, dann begannen sich gewisse Dinge zu einem Ganzen zusammenzufügen. Die umgestoßene Lampe in Mamas Zimmer, an dem Tag, als sie … als sie getötet wurde. Die von den Wänden gefallenen Bilder. Das alles hatten nicht die Männer getan, wenigstens nicht direkt.
    Sie dirigierte Hercules ins Haus, und er sah verwundert und ängstlich zu, wie sie auf allen vieren Mamas Zimmer absuchte. Und sie fand es. Ihre Vermutung, ihr Verdacht hatte sich bestätigt. Mamas schreckliche, abnormale Angst vor allem, was flatterte. Hinter einem Fuß des Bettes lag, wie von einem flüchtigen Besen hingefegt, eine kleine rote Feder. Ach, Mama! Man hat deine Furcht ausgenutzt, um dich zu töten!
    Aber warum nur?

 
VI
     
     
    Katies Verstand arbeitete rasend schnell. Es war einer jener Augenblicke, da die Probleme sich zu überstürzen scheinen. Ein Verdacht wurde zur Gewißheit. Die Kellertür war noch immer verschlossen. Eine kurze Durchsuchung sämtlicher Küchenladen förderte keine Schlüssel zutage. Aber sie mußte es endlich wissen!
    Draußen bei der Scheune wurde fleißig gehämmert. Von Herc erstaunt beobachtet, zerrte Katie sich ein Paar von Papas alten Handschuhen über.
    »Du kannst hier bleiben, wenn du willst«, sagte sie.
    Er folgte ihr jedoch hinter das Haus. Sie bückte sich und zerbrach eine Scheibe des Kellerfensters. Vorsichtig entfernte sie die zackigen Scherben. Dann langte sie ins Innere, schob den Riegel auf und hob den Fensterrahmen heraus.
    Old Robert kam schnüffelnd angesprungen. Doch die Vorgänge waren uninteressant, sogar Hercules, dessen Hand er versuchsweise leckte. Er schien den Ladenbesitzer zu mögen. Dann trottete er zurück zur Scheune. Das Hämmern klang nun gedämpfter, weil das Haus zwischen ihnen und der Scheune lag, aber Papa war hörbar noch immer an der Arbeit. Katie steckte die Taschenlampe in die Tasche, legte sich auf den Bauch und schob sich, die Beine zuerst, durchs offene Fenster.
    »Was …?« fragte Hercules besorgt. Er sah ihr durch das Fenster nach.
    »Komm lieber mit herunter«, sagte sie. »Es ist besser, wenn dich hier keiner sieht. Wir beide sind hier unten sicherer.«
    Dann holte sie tief Luft, ließ den Fenstersims los und sprang in den Keller.

 
VII
     
     
    Ihre Hände streiften die Kellerwand. In den Knien federnd, fing sie den Aufprall ab. Ihre Augen gewöhnten sich rasch an die Dunkelheit. Sie faßte nach der Taschenlampe, ließ sie aber unbenutzt.
    »Alles in Ordnung«, rief sie leise hinauf, dem wartenden Hercules zu, der den Kopf mißtrauisch durch die Fensteröffnung steckte. Er kroch herein, klammerte sich unsicher fest, bis die Kraft in seinen Fingern nachließ, und ließ sich dann ebenfalls fallen.
    »Pst«, mahnte sie, als er wieder losjammern wollte.
    In der Ecke gähnte der Holzofen mit offenem Feuerloch. Der Aschenrost war ordentlich gesäubert. Oben verliefen wie mißgebildete Arme die Heizröhren, die in alle Räume des Hauses abzweigten. An der Wand an einem Haken hing zu einer Schlinge geformt die lange peitschenartige Bürste, die zur Reinigung der Leitungen diente. Katie besah sie genauer und faßte sie an. Ganz sauber. Unbenutzt!
    Katie blieb stehen, Hercules ebenso. Beide lauschten. Sie glaubte noch immer, ganz leise allerdings, die Arbeitsgeräusche von der Scheune her zu hören. Jetzt ließ sie die Taschenlampe aufleuchten und begann mit einer Durchsuchung der verschiedenen Kellerräumlichkeiten, Obstkeller, Kohlenkeller, Holzkeller, während Hercules ihr nicht von den Fersen wich.
    Schließlich stand sie vor dem alten Kartoffelkeller, dessen von der Grundwasserfeuchtigkeit verzogene Holztür sich schwer öffnen ließ. Sie spürte Spinnweben über ihr Gesicht streifen. Der Strahl der Taschenlampe fiel wie ein trüber, schwankender Kegel in die umgebende Finsternis.
    Beide sahen es gleichzeitig. Katie hielt vor Entsetzen die Luft an. Hercules stieß einen erstickten Schreckensschrei hervor, einen Schrei des Erkennens.
    An der gegenüberliegenden Wand auf zwei Sägeböcken, umgeben von einem halben Dutzend der hohen Kerzen, stand ein länglicher Holzbehälter.
    »Genau … diese Behälter brachten die Männer in den Laden«, flüsterte Hercules. »Ohhh …« Er faßte nach ihr.
    Sie schüttelte ihn nicht ab, sondern zog ihn vielmehr mit zu dem Behälter hin. Ein langer, aber nicht allzu breiter

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