Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)
verständnislos.
„ Oh. Genau da vor dir. Ja, dort.“ Rolo vergaß zwischendurch, dass all das für die Alben so fremd war, wie für ihn die Magusch.
Driftwood brauchte einen Moment, bis er das Handschuhfach aufbekam. Er zog die Karte hervor.
„ Weißt du, wie man damit umgeht?“, erkundigte sich Rolo. „Hey, jetzt mach dich nicht unbeliebt.“ Driftwood faltete die Karte auseinander. Erst einmal, dann zweimal. Schnell war sie so groß, dass er sie nur mit ausgebreiteten Armen straff ziehen konnte. Genau vor Rolos Nase.
„ Vorsicht!“
Der Sicht beraubt, machten sie einen Schlenker zur Seite. Jemand hupte. Driftwood zog die Karte erschrocken zurück.
„ Der Index ist ganz hinten“, schnaubte Rolo und konzentrierte sich wieder aufs Fahren.
Einen Moment später war Driftwood unter einem Berg aus Papier begraben. Nur sein Schwanz schaute noch hinaus.
„ Kommst du klar?“
„ Geht schon, danke.“
„ Wie wäre es, wenn wir erst bei mir zuhause vorbeischauen. Da finden wir bestimmt auch irgendwo Geld.“
Driftwood kroch durch den Papierknödel. Raschelnd kam sein Kopf zum Vorschein.
„ Geld? Gibt’s das immer noch?“
„ Klar, was dachtest du denn? Wir brauchen auf jeden Fall was zu Essen und Geld zum Tanken.“
„ Tanken?“ Driftwood tauchte wieder ab.
„ Na, von ganz alleine fährt ein Auto auch nicht.“
„ Ach so. Na, so eine tolle Erfindung scheint mir das ja dann doch nicht zu sein. Kennst du den Weg zu dir nach Hause.“
„ Das krieg’ ich hin.“
„ Und wofür falte ich dann die Karte?“
„ Stopf sie einfach in den Fußraum. Vielleicht finden wir bei mir noch was zum Anziehen für euch. Auf dem Dachboden sind bestimmt noch Klamotten, die mir nicht mehr passen.“
„ Ist es noch weit?“
„ Ein paar Stunden sind’s schon noch. Erzähl mir doch noch ein bisschen was von Früher. Habt ihr auch mal mit Drachen gekämpft? Driftwood?“
Doch Driftwood war eingeschlafen. Er schnarchte, bis unters Kinn mit der Karte zugedeckt. Rolo schmunzelte. Er verstellte den Rückspiegel. Auch Socke schlief, Kotze auf dem Schoß.
„ Na super. Unterwegs mit den magischen Penntüten.“
Er schaltete das Radio ein, drehte die Musik aber ganz leise. In den Stunden, wo die Nacht noch nicht vorbei, der Tag noch nicht erwacht ist, sah er mit müden Augen die ersten Häusergiebel seiner Heimatstadt am Horizont auftauchen. Ihm kam es vor, als wäre er Wochen, vielleicht sogar Monate fort gewesen. Dabei hatte sich in den wenigen Tagen, die es wirklich waren, in Rabenstadt bestimmt nichts verändert. Sein Vater kam ihm in den Sinn, und sein Magen verkrampfte sich. Doch fast im selben Moment fuhren sie in die Stadt und die Freude, die vertrauten Häuser und Straßen wieder zu sehen, gewann die Oberhand. Rabenstadt schlief noch. Nichts rührte sich, niemand war zu sehen. Rolo lenkte den Wagen mit großer Sorgfalt um jede Kurve. Er war wirklich müde. Sie bogen schon bald in die Windige Straße und parkten vor der großen Hecke. In dem Moment, als das Geräusch des Motors verstummte, richtete Driftwood sich mit einem Ruck auf. „Nein, Frau Gans, ich weiß nicht, wo der Hammer kreist! Wer? Wo?“
„ Wir sind da“, sagte Rolo träge. Er brauchte dringend Schlaf.
Socke reckte sich auf der Rückbank, und auch Kotze kam auf die vier kurzen Beine.
„ Hier wohnst du?“, staunte Socke. „Ich bin ja so gespannt, wie es innen aussieht. Können wir reingehen?“
„ Klar. Geht bitte schnell in den Garten. Da sind wir durch die Hecke geschützt. Unsere Nachbarin ist sehr neugierig.“ Sie stiegen aus, und Socke verschwand mit Kotze schnell durch das Gartentor. Driftwood streckte erst noch seine langen Glieder, bis Rolo ihn zur Eile antrieb. Murrend setzte er sich in Bewegung.
„ Hübsch hier“, fand Socke.
Das Haus lag still und verlassen hinter den geschlossenen Fensterläden. Der Rasen war übersät mit Fallobst.
„ Brrr“, bestätigte Kotze.
Rolo war gerade nicht zum Reden zumute. Er ging zur Haustür, stellte sich auf die Zehenspitzen, und tastete mit der Hand über den Türrahmen. Wie erwartet fand er einen Schlüssel und öffnete.
„ Kommt rein“, bat er.
Die Alben huschten an ihm vorbei in den halbdunklen Korridor. Ihre Schwänze schwangen, und ihre Köpfe bewegten sich unruhig. Sie schienen sehr darauf bedacht, ihre neue Umgebung schnell zu erfassen.
„ Seid ihr wirklich sicher, dass ihr keine Lemuren in eurer Familie habt?“, fragte Rolo, den dieses Verhalten doch sehr an
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