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Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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    „ Driftwood, mach doch was!“
    In diesem Moment flog im Wageninneren das Lüftungsgitter aus dem Armaturenbrett. Ein ölverschmierter Kotze kam zum Vorschein.
    Socke ging so nah heran, dass er die Angst in den Augen der Nachtwehrer sehen konnte.
    „ Los!“, brüllte der Kommandant.
    Rasch bildeten die Nachtwehrer einen Kreis um Socke. Der Rückweg zu seinen Freunden war versperrt. Da standen sie und starrten ihn über die Spitzen ihrer Pfeile an. Und was dann geschah, überraschte sogar Driftwood. Sockes Lippe begann zu zittern. Seine Augen wurden glasig. Mit einem unendlich tiefen Seufzer ließ er die Schultern hängen, schob die Unterlippe vor, und eine einzelne, große Träne kullerte ihm über die Wange. Rolo wurde ganz warm ums Herz. Der kleine Nachtalb tat ihm unendlich leid, wie er da stand. Allein, schutzlos und nackt. Er spürte den unbändigen Wunsch, ihn zu schützen. Ihn zu beschützen vor der bösen Welt und den Bogenschützen. Doch das war gar nicht nötig. Denn ein Laut des Entzückens entfuhr allen Nachtwehrern, und sie senkten ihre Bögen. Sie schubsten sich lachend an und zeigten auf den bezaubernden kleinen Kerl in ihrer Mitte. Und weil sie nicht ertragen konnte, wie bitterlich er weinte, streichelten sie ihm den Kopf, boten ihm Süßigkeiten an und redeten beruhigend auf ihn ein. Rolo war tief bewegt und nicht weniger vernarrt in Socke als alle anderen. Doch das Geräusch des startenden Wagens riss ihn aus seinen Gedanken. Driftwood saß am Steuer. Kotze hüpfte auf dem Gaspedal auf und ab, und im gleichen Rhythmus röhrte der Motor.
     

    Hwarf riss die Augen auf.
    „ Alb!“, rief er.
    „ Schon gut, mein Freund“, sprach Hallimasch. Sanft drückte er ihn ins Kissen zurück.
    „ Alle auf Posten?“, keuchte Hwarf.
    „ Alle auf Posten“, bestätigte Hallimasch lächelnd. „Schön, dass du wieder da bist.“
     

    Die Nachtwehrer lauschten gebannt, als Socke mit schüchtern gesenktem Blick zu ihnen sprach. Und mit lautem Jubel packten sie ihn an Armen und Beinen und trugen ihn singend und lachend zum Auto. Denn das war Sockes Wunsch gewesen, den er vorgebracht hatte, verängstigt und bescheiden.
    Rolo fragte sich, was die Leute wohl noch bereit wären, für Socke zu tun. Doch als die Meute auf ihn zukam, wie in der Schlussszene eines Musicals, war ihm nicht ganz wohl und er flüchtete sich auf den Beifahrersitz. Die Nachtwehrer setzten Socke vorsichtig auf das Dach des Wagens, und dann gingen sie nach und nach winkend und fröhlich schwatzend davon in Richtung Stadt. Nicht wenige hatten Tränen der Rührung in den Augen, aber alle sahen zufrieden aus. Socke schwang sich vom Dach des Wagens, dicht über Driftwoods Kopf hinweg, auf den Rücksitz.
    „ Das hat ja gut geklappt“, lachte er.
    „ Knaller!“, sagte Rolo anerkennend.
    Driftwood schlug mit der Faust aufs Lenkrad. „Socke, du hast Nerven wie Drahtseile. Und jetzt?“
    „ Jetzt nichts wie weg hier“, entschied Rolo. „Kannst du fahren?“
    Wie wild kurbelte Driftwood das Lenkrad hin und der.
    „ Weiß nicht? Hab ich noch nie probiert.“
    Das wirkte wenig vertrauenerweckend auf Rolo.
    „ Lass mich mal dahin.“
    Widerwillig kletterte Driftwood auf den Beifahrersitz, während Rolo hinter dem Lenkrad Platz nahm. Es knirschte laut im Getriebe, bis Rolo den ersten Gang eingelegt hatte. Auch seine Erfahrung mit Autos beschränkte sich auf das, was er sich bei seinem Vater abgeguckt hatte. Langsam und ruckelnd setzten sie sich in Bewegung. Als sie im Halbkreis dicht an den Nachtwehrern vorbei fuhren, um zu wenden, winkten alle ihnen fröhlich zu. Socke winkte zurück.
     

    Die Neolinga bestiegen die Landwehr. Grellon erschrak. Das war doch sein Wagen. Er rannte los. Laut rief er Rolos Namen. Aber es war vergeblich. Viel zu groß war die Entfernung. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fiel er auf die Knie.
     

     

Kapitel 28
    „ Die anderen Autos leuchten. Kannst du auch ein Licht einschalten?“
    „ Klar. Danke, Socke.“ Rolo betätigte nach und nach die verschiedenen Hebel und Knöpfe am Armaturenbrett. Die Scheibenwischer gerieten in Bewegung.
    „ Was ist denn das?“, amüsierte sich Driftwood.
    „ Das brauchen wir jetzt nicht“, wiegelte Rolo ab. Endlich fand er den richtigen Knopf, und die Straße vor ihnen erstrahlte im Scheinwerferlicht.
    „ So ist besser“, meinte Socke. Er lehnte sich zurück und schaute aus dem Seitenfenster.
    Rolo sah Kotzes Silhouette im Rückspiegel auf der Hutablage.

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