Der Sommer der Vergessenen: Band 1 von 2 (German Edition)
aus der Hand. Driftwood wurde sichtbar. Er stand auf der Theke.
„ Was ist denn mit den Leuten los?“, entrüstete er sich. Socke trat hinter dem Regal hervor. Betreten schaute er sich um. Rolo kam auf die Füße und wischte sich den Schmutz von der Jeans.
„ Verdammt. Was ist mit dem Typen? Lebt er noch?“
Driftwood legte ihm die Pfote an den Hals, um den Puls zu fühlen. „Ja, lebt noch. Soll ich ihn …“.
„ Nein!“, riefen Socke und Rolo.
„ Ist ja schon gut.“ Driftwood stellte die Bierflasche auf die Theke. Nach kurzem Zögern versetzte er ihr einen Tritt. Sie fiel zu Boden und zerbrach. „Kotze, wo bist du? Komm raus, mein Schatz.“
Mit einem Klingeln sprang die Registrierkasse auf. Kotze entstieg der Geldschublade. Der Zipfel eines Geldscheins hing ihm aus dem Mundwinkel. Driftwood nahm ihn in die Arme. „Du kleiner Racker. Bist du ein kleiner Racker? Ja, das bist du.“
Rolo zitterte am ganzen Körper. „Verdammter Mist. Nix wie weg hier.“ Er griff sich eine Tüte und begann wahllos Süßigkeiten und Eis hinein zu stopfen.
„ Rolo, das müssen wir aber bezahlen.“
„ Nicht jetzt Socke. Bitte, nicht jetzt!“ Die Schärfe in Rolos Stimme ließ Socke verstummen.
„ Und er hier?“, fragte Driftwood, zog den Kopf des Tankwarts an den Haaren hoch, und ließ ihn wieder fallen.
„ Das ist eine Tanke. Hier kommt bestimmt bald jemand vorbei. Und jetzt raus hier!“ Rolo riss die Tür auf.
Driftwood folgte ihm. Socke zögerte kurz. Mit einem Kopfschütteln betrachtete er die Verwüstung, bevor auch er hinauslief. Schnell saßen sie im Wagen und waren wieder auf der Straße. Driftwood schaltete das Radio ein. „I just can’t get enough, I just can’t get enough.”
Driftwoods Gesicht war ganz verschmiert von Schokolade. Er öffnete den dritten Schokoriegel, und das Knistern der Verpackung ließ Kotze aufhorchen. Rolo war immer noch sehr aufgebracht.
„ Echt Socke, was war denn das für eine Aktion. Einfach so in die Schusslinie laufen. Denkst du, du bist Rambo?“
Socke kauerte auf der Rückbank. „Ich weiß gar nicht, wer Rambo ist“, erwiderte er kleinlaut. „Ich wollte doch nur helfen.“
Rolo tat es schon etwas leid, Socke so schroff angegangen zu haben. „Das hast du ja auch getan. Aber bitte, in Zukunft etwas weniger cool, ja?“
Driftwood hatte es geschafft, die Schokolade vom Riegel zu lecken. Er betrachtete die Nüsse, die von einer klebrigen Zuckerglasur zusammengehalten wurden. „Rolo, entspann dich. Ist doch alles gut gegangen.“
„ Nichts ist gut gegangen. Wir haben die Tankstelle verwüstet!“
„ Hätten wir im Wagen bleiben sollen? Der Irre hätte weiß der Henker was mit dir gemacht. Und wenn überhaupt ist Kotze schuld an dem Schlamassel.“
„ Brrr?“
„ Ja, du“, antwortete Driftwood.
Rolo nickte. „Ist ja richtig. Ich mache mir doch nur Sorgen.“ Sein Ton klang schon viel versöhnlicher. „Wenn ihr in Zukunft eine Pistole seht, was hoffentlich nie mehr vorkommt, wisst ihr Bescheid.“
„ Eine echt primitive Waffe“, fand Driftwood und knabberte eine Nuss.
Kapitel 29
Sie fuhren zwischen Feldern dahin. Plötzlich bog ein Wagen aus einer Seitenstraße, die zwischen den mannshohen Maispflanzen verborgen lag. Rolo trat so kräftig auf die Bremse, dass den Alben die Mützen von den Köpfen rutschten. Der Motor stotterte und verstummte. Abgewürgt. Der fremde Wagen kreuzte ihre Spur. Als sie Tür an Tür standen, stoppte er. Der Fahrer, ein dicker Mann mit Schnauzbart, kurbelte das Fenster runter, um die Verkehrsrowdys zur Rede zu stellen. Da erblickte er Socke. Rolo versuchte hektisch, den Motor zu starten. Der Anlasser orgelte. Socke winkte, und der Mann starrte ihn mit offenem Mund an.
„ Wir sollten besser fahren“, knirschte Driftwood.
Der Motor weigerte sich, seinen Dienst wieder aufzunehmen.
„ Hallo“, rief Socke winkend.
„ Socke!“, mahnte Driftwood.
Der dicke Mann zog überrascht die Augenbrauen kraus. Er bewegte die Lippen und zeigte mit dem Finger auf sie. Endlich sprang der Wagen an. Rolo trat das Gas voll durch, und sie fuhren davon.
„ Der war ja lustig“, lachte Socke.
Der dicke Mann hieß Daniel Müller. Er stand noch eine ganze Weile mit seinem Wagen auf der Straße. Irgendwann fuhr er nach Hause. Wie jeden Nachmittag parkte Daniel seinen Kombi in der Tiefgarage unter dem Haus. Er hatte beschlossen, die seltsame Begegnung für sich zu behalten. Eigentlich hatte er sogar vor, sie ganz
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