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Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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Elben.
Die Fabriken schienen aus Metall gebaut, nur durch Rauch zusammengehalten zu
werden. Socke war fasziniert, aber auch angeekelt. Das kam ihm alles nicht
richtig vor, und machte ihm sogar ein wenig Angst.
    „Was ist das
hier?“
    „Was? Das
alles hier? Ein Industriegebiet“, erklärte Rolo. „Wie furchtbar“, beschloss
Socke.
    Driftwood
hatte andere Sorgen. Er klagte über Bauchweh. Kotze kaute die Plastikverpackungen
der Süßigkeiten.
    „Wisch’ dir
mal die Brösel aus dem Bart“, lachte Rolo. Driftwood hielt sich den Bauch. „Ich
habe eine Vergiftung.“ Nusskrümel rieselten aus seinem von Schokolade verschmiertem
Gesicht auf die Jeans. Gierig sammelte er sie ein und saugte sie wie ein
Staubsauger aus seiner Pfote.
    „Du hast
dich überfressen“, gab Rolo kopfschüttelnd zurück. Die Straße teilte sich in
drei nebeneinander verlaufende Spuren, und der Verkehr verdichtete sich. Rolo
wurde es ein wenig mulmig. Socke machte sich ganz klein und beobachtete die
Fahrer der anderen Autos. Sie blickten ausdruckslos und starr nach vorn. Eigentlich
sind alle nur eine Armeslänge voneinander entfernt und zugleich unendlich weit
weg, dachte er.
    „Schnapp dir
mal die Karte“, bat Rolo Driftwood. Er versuchte, ruhig zu klingen, aber Socke
bemerkte ein leichtes Zittern in seiner Stimme. Das beunruhigte ihn zusätzlich.
    Driftwood
griff sich den großen Papierknödel und wischte damit sein Gesicht sauber.
    „Drift“,
raunte Rolo.
    „Was denn?“,
entgegnete Driftwood verständnislos.
    „Du sollst
in die Karte schauen. Wo die Bergwerke sind.“ „Bei dir soll man durchblicken“,
schnaubte Driftwood kopfschüttelnd und entknüllte die Karte.
    „Schau mal
nach zwei gekreuzten Hämmern.“
    „Ja, Chef.“
    „Brrr“,
meinte Kotze.
    „Mir auch
nicht“, stimmte Socke zu.
    Driftwood
wurde schnell fündig.
    „Da sind
gekreuzte Hämmer. Aber sie stehen auf dem Kopf.“ „Dreh’ die Karte um.“
    „Oh. Dann
sind sie im Osten der Stadt.“
    „Dann nach
Ost-Erzingen.“ Rolo setzte den Blinker und wechselte die Spur. Vorsichtig
manövrierte er in eine schmale Lücke im fließenden Verkehr. Die drei Spuren
gabelten sich in verschiedene Richtungen, die auf andere verstopfte Straßen
führten. Der Verkehr stockte.
    „Stau“,
keuchte Rolo und presste sich tief in den Sitz.
    „Da kann man
ja besser auf einem Esel reiten“, stöhnte Driftwood. Er nahm die Mütze vom Kopf
und wedelte sich Luft zu.
    Unrecht
hatte er nicht, dachte Rolo. Im Schritttempo quälten sie sich vorwärts. Socke
kauerte in seiner Deckung und bestaunte die Blechlawine. Auf Höhe eines Zubringers
fuhr ein Wagen Tür an Tür mit ihrem. Da sah er sie. Ein kleines Mädchen schaute
halb verborgen aus dem Seitenfenster. Wären sie nicht in Käfigen aus Blech und
Glas gefangen gewesen, sie hätten sich die Hand reichen können, so nah waren
sie einander. Das Mädchen tauchte aus seiner Deckung auf und lächelte ein
bezauberndes Lächeln mit Zahnlücken, wo schon ein paar Milchzähne fehlten. Ohne
nachzudenken, richtete Socke sich auf. Das Mädchen stutzte, doch dann lachte
sie und patschte mit beiden Händen an die Scheibe. Socke wurde ganz warm ums
Herz. Er schnitt eine Grimasse und drückte seine kleine Nase gegen die Scheibe.
Das Mädchen klatschte begeistert in die Hände. Sie griff nach unten und
präsentierte ihm einen Stoffaffen. Socke wusste, was sie meinte. Er konnte die
Ähnlichkeit nicht verleugnen. Helles Fell, ein schwarzes Gesicht. Weil ihm
nichts Besseres einfiel, schnappte er sich Kotze, und drückte ihn gegen die
Scheibe. Das Mädchen jauchzte vor Begeisterung, und Kotzes gelbes Auge
leuchtete hell. Langsam kam der Verkehr wieder ins Rollen. Ihr Auto beschleunigte
und zog vorbei. Das Mädchen winkte, und Socke winkte zurück. Schon war sie
verschwunden. Socke ließ sich in den Sitz fallen und lächelte. Wusste er doch jetzt,
dass nicht alles hinüber war.
    „Na
endlich“, knarzte Driftwood.
    Rolo trat
das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
     
    „Und?“ Driftwood
knirschte mit den Zähnen.
    „Weiß
nicht.“
    „Konzentrier
dich!“
    „Mach ich
doch!“
    Sie parkten
gegenüber der Einfahrt zum Zechengelände. Die Alben trugen Rolo zuliebe wieder
Mützen und Brillen. Ein riesiges Schild prangte über dem vergitterten Tor. Die
grauen Grafen stand da geschrieben. Das weitläufige Gelände war von einem
hohen Zaun umgeben. Ein großer Förderturm überragte die eng stehenden Gebäude,
die ihre besten Tage lange hinter sich

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