Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
Vom Netzwerk:
die alle
Pflanzen wachsen ließ. Es gehörte bei Driftwood einfach zum guten Ton, dass er
sich gern in dunklen Ecken rumdrückte. So hatten sie Zuflucht in einer kleinen
Höhle gefunden. Sie reichte nicht weit in den Fels und war gerade so hoch, dass
sie aufrecht stehen konnten.
    Socke musste
nicht weit gehen, um ein Baumfernphon zu finden. Es wäre untertrieben zu
behaupten, dass Trödel wenig begeistert war, als Socke erwähnte, er würde
Driftwood mitbringen. Trödel war nämlich überhaupt nicht begeistert. Aber
nachdem Socke ihre Notlage ansprach, willigte er ein. Kein Nachtalb lässt den
anderen im Regen stehen. Socke bedankte sich höflich und prägte sich die
Wegbeschreibung zu Trödels Haus genau ein. Auf dem Weg zurück zur Höhle
bemerkte er die großen Krähenschwärme, die über dem Wald kreisten. Aber Socke
war so geräuschlos, dass sie ihn nicht bemerkten.
    „Können wir
nicht erst mal was essen?“, murrte Driftwood, als er blinzelnd aus der Höhle
ins Licht trat.
    „Nein,
können wir nicht. Trödels Haus wechselt täglich bei Einbruch der Nacht seinen
Standort. Wenn wir zu lange bummeln, ist es weg.“
    „Wer hat
sich denn den Blödsinn ausgedacht?“
    „Wahrscheinlich
verdankt Trödel diesem Blödsinn sein Leben. Komm jetzt.“ Socke hatte
einen ausgesprochen guten Orientierungssinn. Und besonders dann, wenn Driftwood
ihn nicht störte, konnte er sehr zielstrebig den Weg vorgeben. So bewegten sie
sich in Richtung Süd-Ost. Der dichte Sommerwald erinnerte Socke an bessere,
friedlichere Zeiten. Grüner war das Gras gewesen in der Vergangenheit. Oder
spielte ihm seine Erinnerung einen Streich?
    „Bilde ich
mir das nur ein, oder hat sogar der Wald sich verändert? Die Bäume sind zwar
alt und prächtig gewachsen, aber hier fehlt doch was?“
    „Klar fehlt
hier was. Die Magusch Socke, die fehlt. Sie war eine Kraft, die in allem
steckte, in jedem lebenden Wesen. Und vieles war lebendig, was auf den ersten
Blick gar nicht so aussah.“
    „Aber die
Bäume haben doch alles, was sie brauchen? Sonne, Luft, Regen und Erde.“
    „Das ist nur
das, was das Auge sieht. Sie brauchen mehr als das.“
    „Die
Magusch?“
    „Die
Magusch!“, bestätigte Driftwood. „Und wir sollten froh sein, dass noch Spuren
von ihr hier sind. Wahrscheinlich wäre hier sonst nichts mehr.“
    „Wie, nichts
mehr? Du meinst, hier würde nichts wachsen?“ „Nein, ich meine, hier wäre nichts
mehr.“
    Bald
erreichten sie den Baum, den Socke suchte. Ein Blitzschlag hatte ihn in zwei
Hälften geteilt. Das musste schon lange her sein, denn beide Teile des Stammes
hatten sich davon gut erholt. Jeder für sich wuchs schräg in die Höhe. Mit den
Kronen vereinten sie sich wieder.
    „Da wären
wir“, sagte Socke.
    „Mmh“,
erwiderte Driftwood.
    „Du musst mir
jetzt genau zuhören. Der Baum ist ein Tor. Da müssen wir durchgehen. Rückwärts!
Kotze auch. Dahinter liegt ein Gang. Den können wir erst sehen, wenn wir das
Tor passiert haben. Es ist wichtig, ungeheuer wichtig, dass wir in dem Gang
nicht stehen bleiben. Immer weiter rückwärts laufen. Hast du verstanden?“
    „Mmh.“
    „Fein. Am
Ende des Gangs kommt eine Tür. Lass mich vorgehen, ich weiß, wie das geht.
Hinter der Tür kommt es dann nämlich ganz dicke.“
    „Ich geh
vor!“ Driftwood verschwand zwischen den Stämmen. Natürlich vorwärts. Socke
seufzte und folgte ihm. Rückwärts natürlich. Kotze auch. Das Licht erlosch. Sie
fanden sich in einem dämmrigen Gang wieder. Er war mannshoch und aus festem,
dunklem Stein gemauert. Sie waren erst ein Stück gegangen, als es begann. Die
Decke senkte sich, und die Wände kamen näher. Und Socke und Kotze schrumpften.
Driftwood nicht.
    „Die Decke!“
Erschrocken rannte er auf die rettende Türe zu. Doch die Magusch war schneller.
Die letzten Meter musste er schon auf allen Vieren krabbeln. Eingequetscht
zwischen den Mauern streckte Driftwood sich, so weit er konnte, und bekam die
Türklinke zu fassen. Wie eine Made kroch er hindurch. Der Raum dahinter war
normal hoch. Kopfschüttelnd kam er auf die Beine und rieb sich den Schmutz vom
Pelz.
    „Das gibt
Ärger!“
    „Vorsicht!“,
rief Socke. Er wusste ja, was kam.
    Driftwood
blickte auf. Zwei Äxte schnellten aus der Dunkelheit auf ihn zu. Er ließ sich
fallen. Nur um Haaresbreite verfehlten sie ihn. Ein mechanisches Rattern setzte
ein. Die Tür schloss sich mit einem Knall, und aus Schlitzen in der Mauer floss
Wasser. Rasch füllte es den Raum. Driftwood hasste

Weitere Kostenlose Bücher